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Konjunkturpaket II: Deutsche Nationalität des Bieters spielt keine Rolle

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RechtUNBEDINGT LESEN!

Karte_klein2 Wie war das noch? Vor fast genau einem Jahr, dem 19.12.2008, gab die EU-Kommission bekannt, dass „eine Beschleunigung der Vergabeverfahren die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Unterstützung ihrer Volkswirtschaften durch eine rasche Ausführung großer öffentlicher Investitionsprojekte beträchtlich unterstützen kann.“ – Ihrer Volkswirtschaften. Die Bundesregierung sowie die Länder setzten dies sogleich durch deutlich verringerte Wertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und freihändige Vergaben um, und für den „Oberschwellenbereich“ wurde die Anwendung des sog. beschleunigten Verfahren ohne Nachweis eines Ausnahmetatbestandes anerkannt. Die 3. Vergabekammer des Bundes (VK Bund, Beschluss vom 12.11.2009, VK 3-208/09) mußte nun dem ungläubigen, nicht berücksichtigen deutschen Bieter erklären: Zwar entstammten im konkreten Fall die verwendeten Mittel aus dem – deutschen – Konjunkturprogramm. Trotzdem spiele die Nationalität des Bieters vergaberechtlich keine Rolle, weshalb die Zuschlagserteilung an ein ausländisches Unternehmen nicht zu beanstanden sei. Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner von der Kanzlei BHO Legal (Anm. d. Red.).

Aber der Reihe nach: Die Konjunkturpakete sorgen bei manchem öffentlichen Auftraggeber wie Unternehmen anscheinend für Verwirrung. In der Praxis lässt sich nämlich zunehmend beobachten, dass die Möglichkeiten zur Vereinfachung des Vergaberechts auf Grundlage der Konjunkturpakete I und II auch auf Vergaben angewendet werden, die oberhalb der Schwellenwerte liegen. Dies jedoch ist ein grober Vergabefehler!

Es ist nochmals klarzustellen, dass die  Bundesregierung keine Ausnahmen von der Anwendung des Kartellvergaberechts („Vergaben oberhalb der Schwellenwerte“) bestimmen kann. Die Bundesregierung hat nur die Kompetenz, Ausnahmen in Bezug auf das Haushaltsrecht („Vergaben unterhalb der Schwellenwerte“) zu erlassen. Aussagen der Bundesregierung zu Vergabeverfahren im Rahmen der  Konjunkturpakete I und II haben daher keine Aussagekraft für Beschaffungen, die unter das Kartellvergaberecht fallen. In Bezug auf das Kartellvergaberecht ist allein der Europäische Rat oder, soweit hierzu ermächtigt, die Europäische Kommission befugt, Ausnahmen zu bestimmen.  Der deutschen Gesetzgeber hat dagegen nur unterhalb der Schwellenwerte die Kompetenz, Ausnahmen zu erlassen. Solche nationalen Ausnahmen aufgrund der Wirtschaftslage sind im Erlasswege über die Ministerien erfolgt. In diesen Erlassen ist etwa geregelt, dass bei Dienstleistungen bis 100.000 EUR die freihändige Vergabe zulässig ist. Soweit in den Erlassen etwas zur Vergabe oberhalb der Schwellenwerte steht, stellt dies nur einen klarstellenden Verweis auf die Maßnahmen auf europäischer Ebene dar.

Daher ist etwa auch folgender Hinweis der Vergabestelle in einer aktuellen Ausschreibung der gesamten IT-Ausstattung des Landtages NRW für die nächsten fünf (!) Jahre mit einem Volumen von über 2,5 Mio. EUR im Ergebnis zwar nicht zu beanstanden, aber jedenfalls ungenau: „Gründe für die Wahl des beschleunigten Verfahrens: Ausnahmeregelung nach dem Konjunkturpaket 2“. Für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens lässt sich aus oben genannten Gründen gerade nicht das Konjunkturpaket 2 anführen.

Gibt es überhaupt Erleichterungen oberhalb der Schwelle aufgrund der derzeitigen konjunkturellen Lage? Die Antwort lautet „Ja“, aber eben nicht aus den Konjunkturpaketen, sondern (bislang) allein aus den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12.12.2008 (17271/1/08 REV 1) sowie einer Pressemitteilung (!) der Kommission vom 19.12.2008 (IP/08/2040). Hieraus folgt, dass öffentliche Auftraggeber die beschleunigten Vergabeverfahren vorerst bis 31.12.2010 bei „großen öffentlichen Investitionsprojekten“ durchführen können. Den Charakter eines „großen öffentlichen Investitionsprojekts“ wird man für die besagte IT-Ausschreibung in NRW wohl noch bejahen können, so dass die Ausschreibung im Ergebnis richtiger Weise im beschleunigten Verfahren erfolgen darf.

Die Verwirrung zwischen Konjunkturpaket und Kartellvergaberecht beschäftigt übrigens nun erstmals und wenig überraschend auch die Vergabekammern: Bei dem einer aktuellen Entscheidung der 3. Vergabekammer des Bundes zu Grunde liegendem Sachverhalt war das einem ausländischen Unternehmen unterlegene, nicht berücksichtigte deutsche Unternehmen der Auffassung, dass der politische Aspekt der Sicherung von Arbeitsplätzen in Zeiten einer Wirtschaftskrise in die Angebotswertung hätte einbezogen werden müssen. Dem ist die Vergabekammer zu Recht entgegengetreten: „Die Berücksichtigung der Nationalität als weiteres Eignungskriterium ist wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von vornherein unzulässig und steht in diametralem Gegensatz zum Grundanliegen des europäischen Vergaberechts, nämlich der Herstellung des Binnenmarkts auch für den Sektor des öffentlichen Auftragswesens (…). Aus vergaberechtlicher Sicht ist es – entgegen der Ansicht der ASt – daher irrelevant, dass die zu verwendenden Haushaltsmittel hier einem nationalen Konjunkturförderprogramm entstammen und der Förderzweck auf nationaler Ebene damit möglicherweise nicht erfüllt wird.“ (VK Bund, Beschluss vom 12.11.2009, VK 3-208/09).

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IT-Ausschreibung der Landeshauptstadt Düsseldorf in Höhe von ca. 8 Mio. EUR: Wo bleibt der Mittelstand?

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Politik und MarktRecht

itk Die Landeshauptstadt Düsseldorf schreibt derzeit einen Rahmenvertrag für die Beschaffung von IT-Leistungen in Höhe von über 8 Mio. EUR EU-weit im Offenen Verfahren aus (EU-Bekanntmachung 2009/S 245-351281). Die Leistung umfasst unter anderem den Einkauf von ca. 6158 PC’s, 1537 Notebooks, 5661 TFT-Monitore, 520 TFT-Monitore 19 “ mit Sicherheitsglas, 150 Server, Drucker und ca. 4360 Installationen. Offensichtlich ein lukratives Auftragsvolumen für Unternehmen. Allerdings: Eine Aufteilung in Teil- oder Fachlose findet nicht statt. Ein erneuter Anlass, die Mittelstandsklausel des § 97 Abs. 3 GWB näher zu betrachten.

§ 97 Abs. 3 GWB bestimmt:

„Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der Auftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge an Dritte vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.“

Die IT-Ausschreibung der Landeshauptstadt Düsseldorf hat die Leistungen weder in der Menge (etwa Trennung der Ausschreibung von PCs, Drucker, Laptops) noch nach Art (etwa Trennung der Einkaufs- von den Installationsleistungen) aufgeteilt. § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB scheint damit augenscheinlich nicht eingehalten.

§ 97 Abs. 3 Satz 3 GWB macht allerdings eine Ausnahme: Mehrere Teil- und Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.

Zweck der Ausnahmevorschrift ist, dem öffentlichen Auftraggeber keine völlig unwirtschaftlichen oder technisch unsinnigen oder undurchführbaren Entscheidungen aufzudrängen. Schließlich gebietet auch die Gesamtzielsetzung des Vergaberechts, nämlich eine an Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten orientierte Beschaffung zu erreichen, eine ausnahmsweise Abweichung von der Losvergabe, wenn diese im konkreten Fall in hohem Maße unwirtschaftlich wäre.

Es besteht damit ein Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen Los- und Gesamtvergabe. Dabei gebietet der Ausnahmecharakter eine restriktive Auslegung der Zulässigkeit einer Gesamtvergabe. Dies war bereits unter der alten Fassung der Mittelstandklausel herrschende Auffassung. Mit der neuen Fassung der Mittelstandklausel wurde nach Auffassung des Autors die Gesamtvergabe weiterhin erschwert.

So heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 97 Abs. 3 GWB vom 03.03.2008, S. 8:

„Die öffentliche Auftragsvergabe geht vielfach mit einer marktstarken Stellung eines öffentlichen Auftraggebers einher. Es ist daher im Interesse der vorwiegend mittelständisch strukturierten Wirtschaft geboten, auf mittelständische Interessen bei der Ausgestaltung der Vergabeverfahren besonders zu achten, um so die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, auszugleichen.“

Weiterhin betont der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung, dass durch diese Neuformulierung die Mittelstandsklausel in ihrer Wirkung „verstärkt“ werden soll.

Die ausdrücklich beabsichtigte „Verstärkung“ kann jedoch nicht Folgenlos geblieben sein, da man sonst den Willen des Gesetzgebers ignorierte.

Diese Interpretation wird durch die neue Formulierung des § 97 Abs. 3 GWB gestützt. So heißt es in der Neufassung, dass mittelständische Interessen „vornehmlich“ zu berücksichtigen sind. Dies steht dort anders als in der Vorgängernorm als eigener Hauptsatz und erst in Satz 2 wird der Grundsatz der Losaufteilung aufgestellt. Der allgemeine Mittelstandschutz hat sich damit von der bloßen Losaufteilung emanzipiert. Der Mittelstandsschutz ist daher auch über die bloße Losaufteilung hinaus zu berücksichtigen, etwa bei der Wahl der Eignungskriterien.

Hier verlangt die Landeshauptstadt Düsseldorf zur Darlegung der Eignung:

„Der Bieter hat den Nachweis der fachlichen Leistungsfähigkeit durch Angabe der in den letzten 3 Geschäftsjahren ausgeführten Aufträge zu führen, die mit dem ausgeschriebenen Auftrag vergleichbar sind (Referenzen)“.

Solche vergleichbare Referenzen dieses Umfangs können in Europa voraussichtlich nur eine Handvoll Unternehmen vorweisen; Mittelständler oder gar Newcomer werden nicht darunter sein. Die Anzahl der Wettbewerber wird durch das Eignungskriterium zusätzlich eingeschränkt.

Die neue Mittelstandklausel führt noch in anderer Hinsicht zu Verschärfungen auf Auftraggeberseite: Die wirtschaftlichen oder technischen Gründe, die ausnahmsweise eine Gesamtvergabe rechtfertigen, müssen detailliert und dokumentiert dargelegt werden. Dies kann im Einzelfall sogar bedeuten, dass der öffentliche Auftraggeber seine Entscheidung, nicht losweise zu vergeben, durch ein Gutachten unterlegen muss. Auf jeden Fall hat er zumindest die Beweggründe einer Gesamtvergabe in dem Vergabevermerk nachvollziehbar zu dokumentieren. Es genügt dabei nicht einfach zu behaupten, dass eine Zerlegung in einzelne Teil- oder Fachlose eine „unwirtschaftliche Zersplitterung“ darstellt. Es ist nämlich stets zu beachten, dass fast jeder Losaufteilung ein erhöhter Koordinierungsaufwand und die Einbindung zusätzlicher personaler Ressourcen bei dem öffentlichen Auftraggeber immanent sind und grundsätzlich vom Gesetz in Kauf genommen wird (so schon vor der Reform OLG Düsseldorf VergabeR 2005, 107 = NZBau 2004, 688). Das bedeutet, dass allgemeine Vorteile, wie die Entlastung von Koordinierungsaufgaben oder der Vorteil nur eines Ansprechpartners, allein für sich genommen grundsätzlich keine wirtschaftlichen Rechtfertigungsgründe darstellen. Ebenso wenig sind dies die Eilbedürftigkeit oder die Vermeidung von höherem Personal- oder Verwaltungsaufwand. Als technische Gründe können Gründe der Verkehrssicherheit, des reibungslosen und termingerechten Bauablaufs sowie aus Funktionalitätsgründen in Betracht kommen.

Es ist davon auszugehen, dass die Landeshauptstadt Düsseldorf sehr sorgfältig geprüft und dokumentiert hat, weshalb sie ausnahmsweise von der Losaufteilung absieht. Allein der Einkauf großer Mengen an Hard- und Software genügt sicherlich nicht, eine Gesamtvergabe zu rechtfertigen. Technische Gründe können jedoch gerade bei komplexen IT-Projekten eine Gesamtvergabe rechtfertigen, wenn dadurch etwa die Sicherheit erhöht oder Fehlerquellen und Funktionsbeeinträchtigungen deutlich vermieden werden können. Dies kommt vor allem in Frage, wenn mehrere Tausend Rechner miteinander vernetzt und integrativer Bestandteil eines Gesamtsystems werden sollen. Solche Gründe könnten vorliegend durchaus in Betracht kommen; die Beweislast liegt bei der Landeshauptstadt Düsseldorf.

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Rettungsdienste: Prozessuale Untiefen aus Luxemburg

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Recht

EU-Recht Die Vergabepraxis der deutschen Städte und Kommunen von Rettungsdienstleitungen ist ein heiß diskutiertes Thema, politisch und juristisch (siehe auch Beitrag des Autors vom 29.11.2009). Noch in diesem Jahr sind zwei Urteile des EuGH zu diesem Thema zu erwarten. Seit dem 11. Februar 2010 liegen nun die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland vor (Rs. C-160/08). Der Autor hat die Schlussanträge für Vergabeblog näher betrachtet. Mit einer Entscheidung des EuGH ist in den nächsten sechs Monaten zu rechnen.

Die Ausgangssituation – nicht ausgeschriebene Rettungsdienste

Wir erinnern uns: Die Kommission beanstandete die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, in denen durchgehend das Submissionsmodell angewendet wird. Die Kommission rügte insbesondere, dass in diesen Bundesländern den Vergaberichtlinien unterfallende Aufträge im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes in der Regel nicht ausgeschrieben und nicht transparent vergeben worden seien.

Die Generalanwältin empfiehlt dem EuGH festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die (nachträgliche) Mitteilungspflicht verstoßen hat. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot bejaht die Generalanwältin allerdings nicht, so dass aus ihrer Sicht die Klage der Kommission nur teilweise begründet ist.

Die Rettungsdienstverbände dürfen allerdings nicht durchatmen. Denn das Ergebnis der Generalanwältin folgt einer komplizierten rechtlichen Würdigung, welche den Leser in die Tiefen des Prozessrechts der Vertragsverletzungsklage führt: Die Generalanwältin gelangte zu ihrem Ergebnis nicht etwa, da sie der Überzeugung war, dass die Aufträge nicht hätten ausgeschrieben werden müssen – mit dieser Frage befasste sie sich gar nicht –, sondern aus rein rechtsdogmatischen und beweisrechtlichen Bedenken.

Die Schlussanträge – juristische Achterbahn

Nachfolgend sei der Versuch gewagt, den prozessualen Hintergrund der ungewöhnlich langen und komplexen Schlussanträge (kurz!) eingängig zu machen: Rettungsdienstleistungen umfassen in der Regel sowohl Verkehrsdienstleistungen als auch die medizinische Versorgung. Ersteres sind sog. nachrangige Leistungen, letzteres sog. vorrangige Leistungen. Die Unterscheidung ist wichtig, da nur vorrangige Leistungen vollständig unter die Vergaberichtlinien fallen.

Die Kommission hatte in ihrer mit „Gründen versehenen Stellungnahme“ (das entspricht in etwa der Abmahnung vor der eigentlichen Klage) dargelegt, dass der Schwerpunkt der streitgegenständlichen Aufträge auf einer vorrangigen Leistung liege, so dass gegen die Vergaberichtlinie verstoßen worden sei. In ihrer Klage änderte die Kommission dann ihre Argumentation dahin, dass es dahingestellt bleiben könne, wo der Schwerpunkt des Auftrags liege, da auf jeden Fall entweder gegen die Vergaberichtlinien oder gegen den primärrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung und Transparenz verstoßen worden sei. Anders gewendet: Die Aufträge hätten – so oder so – auf jeden Fall europaweit ausgeschrieben werden müssen.

Die Generalanwältin sah hierin eine unzulässige Klageänderung: „Wie ich bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung erörtert habe, ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen, soweit mit ihr die Feststellung beantragt wird, dass bei der Vergabe von Aufträgen über die Erbringung von Rettungsdienstleistungen, die schwerpunktmäßig den Personentransport betreffen, gegen das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot, die sich aus der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit ergeben, verstoßen worden ist.“ (Tz. 91)

Aber selbst wenn, so die Generalanwältin, der EuGH die Zulässigkeit bejahen sollte, wäre die Klage jedenfalls teilweise unbegründet. An dieser Stelle führt uns die Generalanwältin in rechtsdogmatische Tiefen, die sich mit dem Verhältnis von Vollharmonisierung zum Primärrecht beschäftigen (und deren Wiedergabe den Leser nur erschöpfen würde). Letztlich geht es darum, dass die Kommission genau darzulegen hat, wogegen die Bundesrepublik verstoßen haben soll, damit diese auch genau weiß, wie sie den Fehler beheben kann. Die Kommission hatte es jedoch offen gelassen, ob ein Verstoß gegen die Vergaberichtlinien oder das Primärrecht vorliege. Dies reiche nicht aus, um eine Vertragsverletzung zu begründen, so die Generalanwältin, da das Vertragsverletzungsverfahren keinen bloßen Strafcharakter habe (Tz. 113). Gerade bei den nachrangigen Dienstleistungen hätte die Kommission ein grenzüberschreitendes Interesse nachweisen müssen, dies habe sie aber nicht (Tz. 119, 121).

Nachgewiesen habe die Kommission jedoch hinreichend, dass die jeweiligen Städte und Gemeinden ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen seien. Hier bestand deshalb kein Zulässigkeitsproblem, da die entsprechenden Vorschriften der Vergaberichtlinien gleichermaßen auf vorrangige und nachrangige Dienstleistungen Anwendung finden (Tz. 90).

Wie wird der EuGH entscheiden?

Man weiß es nicht. Ob sich der EuGH auf die Dogmatik der Generalanwältin einläßt, erscheint diesmal allerdings fraglich (in ca. 80 % der Fälle folgt der EuGH den Schlussanträgen). Das Urteil darf daher durchaus mit Spannung erwartet werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Ausführungen der Generalanwältin zu Art. 45 Abs. 1 EG: Nach Art. 45 Abs. 1 EG gilt der EG-Vertrag (und damit die Vergaberichtlinien und das Vergaberecht) nicht, wenn mit der Auftragsvergabe dem Auftragnehmer die „Ausübung öffentlicher Gewalt“ übertragen wird. Der Rettungsdienst sei, so die Generalanwältin, nicht mit der „Ausübung öffentlicher Gewalt“ verbunden, dies folge aus der engen Auslegung dieses Begriffs durch den EuGH.

Vor einem Jahr hätte ich dem noch zugestimmt. Allerdings sind in der jüngsten Rechtsprechung des EuGH Tendenzen erkennbar, den Anwendungsbereich des Vergaberechts wieder etwas zurück zu fahren (etwa Rs. C-480/06 – Interkommunale Zusammenarbeit). Im Sinne dieser neuen Linie könnte der EuGH auch Art. 45 Abs. 1 EG großzügiger lesen als zuvor. Freilich wäre die Konsequenz für deutsche Auftraggeber zunächst gering, da der BGH unlängst entschieden hat, dass es für eine wirksame Ausnahme von Rettungsdienstleistungen einer ausdrücklichen Umsetzung in § 100 Abs. 2 GWB bedurft hätte (Beschluss vom 1. Dezember 2008 – X ZB 31/08).

Was bedeuten die Schlussanträge für die Praxis?

Wenig. Die Schlussanträge mögen für den eingefleischten Europarechtler prozessual durchaus interessant sein, in der Sache bringen sie jedoch kaum Licht in den Diskussionsnebel.

Allerdings sei eine interessante Anmerkung der Kommission hervorzuheben: Die Kommission wies die Bundesrepublik als vergaberechtskonforme Alternative darauf hin, dass die Möglichkeit einer Ausschreibung gegeben wäre, bei der die Verfügbarkeit vor Ort als Auswahlkriterium berücksichtigt würde. Die Verfügbarkeit vor Ort als Zuschlagskriterium macht auch aus meiner Sicht im Rettungsdienstbereich absolut Sinn. Die Generalanwältin hat hierzu aber nichts gesagt und auch der EuGH wird sich daher hierzu nicht äußern. Insofern sei auch an dieser Stelle vor schnellen (Fehl-) Schüssen gewarnt, wie es etwa in der Pressemitteilung der SPD-Regionsfraktion Hannover vom 26.02.2010 „Rettungsdienst: Bewährte Strukturen erhalten!“ geschah.

Die Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak im Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland (Rs. C-160/08) finden Sie hier.

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EuGH: Austausch des Nachunternehmers kann zur Kündigungspflicht und Neuausschreibung führen (Urteil v. 13.04.2010, Rs. C-91/08)

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EU-Recht Die leidigen Nachunternehmer. Oft braucht man sie, aber eigentlich will man sie nicht. Der Nachunternehmer ist wie die Bietergemeinschaft eine Form der Kooperation und damit Leid und Segen. Vor jeder Entscheidung, zu kooperieren, sollten daher zahlreiche Faktoren bedacht werden (werden sie aber meist nicht), etwa: Kooperieren oder doch besser eigene Fachkräfte einstellen? Und: Besteht die Gefahr, dass der Kooperationspartner nach der Kooperation Kunden abzieht? Aber auch: Komme ich persönlich mit dem Geschäftsführer des Partners klar, kann ich mich mit seinen Zielen und Idealen identifizieren, „funkt“ es also zwischen uns? Die Konsequenzen, wenn es nicht „funkt“, spielten sich bislang vor allem auf der Vertragsebene ab: Preisanapassung, Kündigung, Schadensersatz.

Der EuGH hat nun aber einen weiteren Faktor hinzugefügt, der bei der Frage des Nachunternehmereinsatzes von Anfang an wohl bedacht sein will: Ein Wechsel des Nachunternehmers durch den Auftragnehmer kann nämlich den öffentlichen Auftraggeber dazu veranlassen, den ganzen Vertrag zu kündigen und neu auszuschreiben. Das jedenfalls folgt aus einer neuen Entscheidung des EuGH v. 13.04.2010, Rs. C-91/08.

Der Entscheidung des EuGH lag vereinfacht folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Stadt Frankfurt a.M. schrieb Ende des Jahres 2002 einen Vertrag zum Betrieb, zur Instandhaltung, zur Wartung und zur Reinigung von städtischen Toilettenanlagen für die Dauer von 16 Jahren aus. Die Gegenleistung für diese Leistungen sollte in dem Recht bestehen, eine Benutzungsgebühr zu erheben und während der Vertragslaufzeit Werbeflächen in und an den Toilettenanlagen sowie an anderen öffentlichen Flächen im Stadtgebiet von Frankfurt zu nutzen. Dies stellt eine klassische Dienstleistungskonzession dar, da das Betriebsrisiko auf den Konzessionär („Auftragnehmer“) übertragen wird.

Mehrere Angebote gingen ein, auch eines der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES). Diese benannte als Nachunternehmer für die Erbringung der Werbeleistungen und die Ausführung der WC-Module die Wall AG, deren Eignung in dem Angebot besonders hervorgehoben wurde.

Dieses Angebot überzeugte und die Stadt schloss Mitte 2004 mit FES den Konzessionsvertrag ab. Nach Abschluss des Konzessionsvertrages, aber noch vor Leistungsbeginn, holte die FES von der Wall AG ein Angebot für die Erbringung der jeweiligen Nachunternehmerleistungen ein. Außerdem holte sie ein Angebot der Deutsche Städte Medien GmbH („DSM“, besser bekannt unter „Ströer“) ein, welche gar nicht als Nachunternehmer benannt war. Offenbar sagte FES letzteres Angebot mehr zu als das der Wall AG. Wohl deshalb ersuchte FES die Stadt Frankfurt um Zustimmung zu einem Wechsel des Nachunternehmers. Eine solche Zustimmung war nach § 30 Abs. 4 des Konzessionsvertrages erforderlich. Nachdem die Stadt ihre Zustimmung zum Wechsel erteilt hatte, schlossen FES und DSM einen entsprechenden Vertrag – die Wall AG war damit draußen.

Wall AG erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Frankfurt a.M. und beantragte unter anderem, die FES zu verurteilen, es zu unterlassen, den mit DSM geschlossenen Vertrag zu vollziehen. Das Landgericht legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, welche – verkürzt – davon handelten, ob ein Wechsel eines Nachunternehmers eine Neuausschreibungspflicht nach sich ziehe und bejahendenfalls, ob ein infolge des Verstoßes gegen diese Pflicht geschlossener Vertrag zu kündigen sei (es ging auch noch um andere Fragen, die hier nicht behandelt werden sollen).

Zunächst befasst sich der EuGH zur Beantwortung der Fragen allgemein mit dem Transparenzgebot und betont mit Hinweis auf die Entscheidung „pressetext“ (C-454/06), dass wesentliche Änderungen des Vertrages zu einer Neuausschreibung führen können. In Rn. 39 nimmt er dann zu dem Nachunternehmerwechsel Stellung:

„Ein Wechsel des Nachunternehmers kann, auch wenn diese Möglichkeit im Vertrag vorgesehen ist, in Ausnahmefällen eine solche Änderung eines der wesentlichen Bestandteile des Konzessionsvertrags darstellen, wenn die Heranziehung eines Nachunternehmers anstelle eines anderen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale der betreffenden Leistung ein ausschlaggebendes Element für den Abschluss des Vertrags war, was zu prüfen jedenfalls dem vorlegenden Gericht obliegt.“

Wichtig ist zunächst festzustellen, dass der EuGH die Neuausschreibungspflicht bei einem Nachunternehmerwechsel als Ausnahmefall betrachtet oder anders gewendet: Ein begründeter Nachunternehmerwechsel ist grundsätzlich ohne Ausschreibungspflicht möglich. Die Gründe hierfür lassen sich durch die klugen Ausführungen des Generalanwalts Yves Bot in seinen Schlussanträgen vom 27.10.2009 nachlesen. Der Generalanwalt weist zu Recht darauf hin, dass ein Wechsel desjenigen Nachunternehmers, der eine schlechte Leistung erbringt, möglich sein muss, ohne dass dies vergaberechtsrelevant sei. Im konkreten Fall hatte der Generalanwalt jedoch Bedenken. Denn hier hatte die Wall AG noch gar keine Leistungen erbracht. Sie sollte unmittelbar nach Abschluss des Konzessionsvertrages ausgetauscht werden. Sofern jedoch FES gerade wegen der Benennung der Wall AG von der Stadt den Zuschlag erteilt bekommen habe, würde dieser Austausch letztlich die transparente Prüfung der ursprünglichen Angebote durch die Stadt unterlaufen. Denn die Stadt hätte möglicherweise ein anderes Angebot bezuschlagt, wenn nicht die Wall AG benannt gewesen wäre. Der Generalanwalt hegt sogar den Verdacht, die FES hatte zunächst nur ein Scheinangebot abgegeben.

Was folgt daraus für die Praxis?

Kommt es für die Wertung der Angebote wesentlich auch auf die Rolle des Nachunternehmers an, so kann dessen Austausch kurz nach Bezuschlagung ausnahmsweise eine Neuausschreibung nach sich ziehen. Dies ist vor allem der Fall, wenn es auf die Leistung gerade dieses Nachunternehmers ankommt, da dieser etwa über ein Alleinstellungsmerkmal oder andere Aspekte, die individuell zu beurteilen sind, verfügt. Anders wäre dies etwa bei Nachunternehmern, die handelsübliche („off the shelf“) Leistungen erbringen, deren Austausch sich also auf die Angebotswertung nicht wesentlich auswirkt.

„Vertrauen ist gut, Vertrag ist besser”

Dies hatten FES und Wall AG offenbar sträflich unterlassen, insbesondere hätten beide die Preise im Vorfeld vertraglich festlegen sollen. Außerdem hätte es FES vertraglich verboten sein müssen, mit Wettbewerbern der Wall AG Verträge abzuschließen – auf eine entsprechende Bedingung hat gerade ein Nachunternehmer zu achten! Unterschiedliche Angebote potentieller Nachunternehmer holt man sich als Bieter eigentlich ohnehin bereits vor Abgabe des eigenen (Haupt-) Angebots ein, um richtig kalkulieren zu können und den Nachunternehmer auszusuchen. Was da genau zwischen FES und der Wall AG schiefgelaufen war, lässt sich nur vermuten.

Was geschieht nun mit dem „geänderten“ Konzessionsvertrag zwischen der Stadt und FES?

Der EuGH betont zwar, dass im Fall der (noch vom LG Frankfurt zu prüfenden) Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Vertrages zwischen Stadt und FES nicht zwingend eine Kündigungspflicht der Stadt besteht; allerdings müsse das innerstaatliche Recht hinreichende Rechtsschutzmechanismen vorsehen, welche die Ausübung des Transparenzgebots und des Gleichbehandlungsgrundsatzes praktisch nicht unmöglich oder übermäßig erschweren. Mir fällt da in unserem nationalen Recht eigentlich nichts anderes ein, als eine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB. Es stellt sich dann die Frage, ob FES auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, was wohl nicht der Fall sein dürfte (siehe zu diesem Thema ausführlich Ortner, Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, Dissertation, 2007, Seite 199 ff). Der geänderte Konzessionsvertrag ist daher wohl zu kündigen und neu auszuschreiben.

Noch ein letztes: Die Entscheidung erging zwar zu einem Fall der Änderung einer Dienstleistungskonzession, sie ist jedoch aus meiner Sicht auf einen öffentlichen Auftrag ohne Weiteres (sogar „erst recht“) übertragbar. Die Entscheidung ist daher äußerst praxisrelevant und sollte vor jedem Wechsel eines Nachunternehmers ins Gedächtnis gerufen werden. Für Bieter und „wichtige“ Nachunternehmer gilt nun umso mehr: Regelt die wesentlichen Punkte (v.a. den Preis) im Vorfeld vertraglich (etwa durch eine Absichtserklärung) und verlagert dies nicht auf den Zeitraum nach Zuschlagserteilung! Der öffentliche Auftraggeber kann ebenfalls nicht mehr ohne weiteres darauf verweisen, dass ihn das Vertragsverhältnis zwischen Bieter und Nachunternehmer nichts angehe. Es geht ihn etwas an, denn ein grundloser Wechsel könnte seine Ausschreibungspflicht neu begründen!

Mehr Informationen über den Autor Dr. Roderic Ortner finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Dienstleistungskonzessionen und kein Ende, Teil 1 (Einführung)

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Paragraph (Anmk. der Redaktion:) Die Dienstleistungskonzession (DLK) unterfällt nicht den Vergaberichtlinien und somit nicht dem abgeleiteten nationalen Vergaberecht. Das bedeutet, dass etwa die Vergabenachprüfungsinstanzen unzuständig sind; der Primärrechtsschutz ist eingeschränkt. Die Kommission untersucht bereits seit geraumer Zeit, ob und inwieweit die DLK im Unionsrecht näher geregelt werden sollte. Ein entsprechendes Konsultationsverfahren lief bis zum 30.09.2010. Derzeit werden die zahlreichen Stellungnahmen, die der Kommission aus den Mitgliedstaaten vorliegen, ausgewertet. In nächster Zeit werden die Stellungnahmen auch im Internet veröffentlicht. Bereits jetzt ist klar, dass sich die Stimmen aus Deutschland nahezu einhellig gegen eine Regelung zur DLK aussprechen.

Unser Autor Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner hat über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen promoviert und erschien uns deshalb als der Richtige, um Sie, liebe Leserinnen und Leser, in das Thema einzuführen und bezüglich des „Gesetzgebungsverfahrens“ auf europäischer Ebene auf dem Laufenden zu halten.

1. Dienstleistungskonzession als unionsrechtlicher Begriff

Die DLK ist ein europäischer Begriff und nicht zu verwechseln mit dem, was landläufig unter Konzession verstanden wird: Nämlich die Konzession als Genehmigung (bspw. die Taxikonzession). Nach der insofern zunächst maßgeblichen Definition der europäischen Vergaberichtlinien sind DLKen Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht. Allerdings erfolgt die Vergabe einer DLK nicht im rechtsfreien Raum. Unlängst hat der EuGH in etlichen Entscheidungen Hinweise gegeben, welche Kriterien eine DLK ausmachen und welche Rechtsfolgen an das Vorliegen einer DLK geknüpft sind. Die Kommission hat die Rechtsprechung des EuGH in einer Interpretierenden Mitteilung zusammengefasst und den ausschreibenden Stellen Hinweise zum Umgang mit DLK auf den Weg gegeben. Die Mitteilung ist daher derzeit das maßgebliche Instrument für öffentliche Auftraggeber. Sie verstößt auch nicht, wie dies unter anderem Deutschland meinte, gegen Gemeinschaftsrecht, dies hat das Gericht der Europäischen Union kürzlich entschieden (vgl. dazu auch den Beitrag von Dirk Martin Kutzscher im Vergabeblog).

2. Dienstleistungskonzession als Modell der Privatisierung

Die Konzession stellt ein Modell der Privatisierung dar. Der Private erhält das Recht, aus der ihm vom Staat eingeräumten Dienstleistung Nutzen zu ziehen, sie also zu „kommerzialisieren“. Der Staat erhält für die Konzession vom Privaten im Gegenzug ein Konzessionsentgelt – das Betriebsrisiko liegt damit in aller Regel beim Konzessionär. Überall dort, wo die staatliche Nachfrage Dienstleistungen umfasst, kommt als Privatisierungsform die DLK in Betracht. Genannt seien beispielsweise Transport-, Verkehrs-, Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen, Datenverarbeitung, Forschung und Entwicklung, Markt- und Meinungsforschung, Beratungsleistungen, Werbung, Druck und Verlag, Unterricht, inklusive Ausbildung von Medizinern und Juristen, Gesundheitsfür- und –vorsorge, Abfallbeseitigung und Wasser- und Abwasserentsorgung. Im Prinzip könnte jede öffentliche Dienstleistung konzessioniert werden, solange die Voraussetzungen einer DLK gegeben sind und die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten werden.

3. Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession

Wann liegt eine DLK vor? Aus mittlerweile zahlreichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur DLK lassen sich m.E. folgende Schlussfolgerungen ziehen: Das Vorliegen einer DLK erfordert nicht, dass die Dienstleistung im Allgemeininteresse stehen muss. Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass mit der Konzession eine echte Pflichten- und Verantwortungsübertragung einhergeht oder dem Konzessionär gar ein Ausschließlichkeitsrecht eingeräumt wird. Schließlich muss die Leistung auch nicht unmittelbar über die Nutzer finanziert werden, eine so genannte Kongruenz ist daher nicht erforderlich, es genügt, wenn der Konzessionär von Dritten finanziert wird. Beispiel: Die Stadt Münster beauftragt ein Unternehmen mit der Pflege und Instandhaltung der städtischen Bushaltestellen für die nächsten vier Jahre. Das Unternehmen, der Konzessionär, finanziert sich nicht über die Nutzer der Haltestellen, sondern indem er, was ihm erlaubt ist, die Plakatflächen der Bushaltestellen vermietet.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer DLK lauten somit:

(1) Die öffentliche Stelle betraut den Konzessionär mit der Durchführung einer Dienstleistung,

(2) der Konzessionär erhält als Vergütung das Recht zur Verwertung der eigenen Leistung, gegebenenfalls zuzüglich eines Preises, und

(3) der Konzessionär trägt das wirtschaftliche Risiko.

Das wirtschaftliche Risiko ist je nach Einzelfall zu bemessen. Dabei sind alle die Leistung des Konzessionärs betreffenden risikoerhöhenden und risikoverringernden Faktoren zu berücksichtigen.

Im Teil 2 (im November) werde ich näher auf diese wohl wichtigste Voraussetzung der DLK eingehen, die gleichzeitig Abgrenzungskriterium zum öffentlichen Auftrag ist.

Mehr Informationen über den Autor Dr. Roderic Ortner, BHO Legal, Köln, München, finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Dienstleistungskonzession im Rettungsdienstbereich: Schlussanträge des Generalanwalts Ján Mazák v. 09.09.2010

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Gesundheits- & SozialwesenLiefer- & DienstleistungenRecht

EU-Recht Der Vergabesenat des OLG München hat mit Beschluss vom 2. Juli 2009 (Verg 5/09) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob – vereinfacht gesprochen – das sog. „Konzessionsmodell“ nach dem Bayerischen Rettungsdienstgesetz (BayRDG) eine Dienstleistungskonzession darstellen könnte (siehe zur Vorlagefrage den Beitrag des Autors hier und zu Dienstleistungskonzessionen hier).

Zum sog. „Submissionsmodell“ bei Rettungsdienstleistungen hat sich in diesem Jahr der EuGH mit Urteil vom 29. April 2010 geäußert (Rs.- C-160/08). Die Entscheidung wurde von Herrn Rechtsanwalt Dr. Ott im Vergabeblog kommentiert. Bezüglich des Konzessionsmodells steht die Entscheidung der Luxemburger Richter noch aus, allerdings liegen die Schlussanträge des Generalanwalts Ján Mazák seit dem 9. September 2010 vor (Rs. C-274/09). Unser Autor Dr. Roderic Ortner hat sich die Schlussanträge näher angesehen. (Anmk. der Red.)

1. Eingeschränkter Rechtsschutz bei Dienstleistungskonzessionen

Weshalb sich alle um die Thematik streiten liegt vor allem auch an dem unterschiedlichen Rechtsschutz: Denn handelt es sich bei dem vakanten Auftrag um eine Dienstleistungskonzession sind die Vergabenachprüfungsinstanzen unzuständig; ein effektiver Rechtsschutz für den unterlegenen Bieter ist nicht gegeben.

Weshalb ist das so? Die Antwort liegt in der Historie des Vergaberechts begründet. Die Europäische Kommission hatte sich zwar bereits im Vorfeld der ersten Auflage des Vergaberechts dafür ausgesprochen, die Dienstleistungskonzession den Vergaberichtlinien zu unterwerfen (KOM(90) 372 endg. (ABl. 1991, C 23, S. 1)). Im Gesetzgebungsverfahren strich jedoch der Rat sämtliche Bezugnahmen auf Dienstleistungskonzessionen mit dem Argument, die Praktiken der Konzessionierung von Dienstleistungen seien in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu unterschiedlich, als dass man sie vereinheitlichen könne. Bekanntlich unternimmt die Kommission heute, also genau 20 Jahre nach ihrem ersten gescheiterten Vorschlag, erneut den Versuch einer präziseren unionsrechtlichen Regelung der Dienstleistungskonzession.

2. Die Vorgeschichte

Auch für den Rechtsschutz bei Vergabe von Rettungsdienstleistungen ist es also evident, ob es sich um eine Dienstleistungskonzession handelt oder nicht. Was war im vorliegenden Fall in Bayern geschehen? Der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Passau hatte Rettungsdienstleistungen vergeben, ohne den Privaten Rettungsdienst Stadler zum Zuge kommen zu lassen. Letzterer ficht daher die Entscheidung des Zweckverbandes vor der Vergabekammer Südbayern an. Diese jedoch befand sich für unzuständig – da es sich um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession handele. Hiergegen erhob Stadler sofortige Beschwerde zum Vergabesenat des Oberlandesgerichts München. Dieses war sich unsicher, ob vorliegend durch das sog. „Konzessionsmodell“ tatsächlich die Voraussetzungen einer Dienstleistungskonzession bejaht werden könnten und legte die Frage dem EuGH vor.

Im Unterschied zum Submissionsmodell erfolgt beim sog. Konzessionsmodell im Rettungdienstwesen keine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer, sondern es wird im Vorfeld im Wege von Verhandlungen zwischen dem Auftragnehmer und den Sozialversicherungsträgern, das Benutzungsentgelt für die zu erbringenden Leistungen festgesetzt. Das Entgelt wird nicht unmittelbar von den Nutzern ausgezahlt, sondern in regelmäßigen Abschlagszahlungen von einer Zentralen Abrechnungsstelle, deren Dienste der Auftragnehmer nach dem BayRDG in Anspruch nehmen muss.

3. Die Empfehlung des Generalanwalt und kritische Stellungnahme

Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Ján Mazák scheint in seiner Empfehlung an den Europäischen Gerichtshof den Umstand, dass eine unmittelbare Vergütung im Konzessionsmodell nicht erfolgt, als ein hinreichendes Kriterium zur Qualifizierung als Dienstleistungskonzession anzusehen. Hieraus wurde in Deutschland teilweise der Schluss gefolgert, dass es sich beim Bayerischen Konzessionsmodell um eine Dienstleistungskonzession handele (vgl. Beitrag von Herrn Rindtorff im Behörden Spiegel, Okt. 2010, S. 26).

Diese Schlussfolgerungen halte ich für verfrüht. Zum einen entscheiden die nationalen Gerichte darüber, ob im konkreten Fall eine Dienstleistungskonzession vorliegt. Der EuGH darf nur Hinweise für die Voraussetzungen geben, deren Vorliegen aber nicht im konkreten Fall prüfen. Zum anderen sind die Schlussanträge inhaltlich wenig überzeugend. So führt der Generalanwalt an entscheidender Stelle wenig hilfreich zunächst aus:

„Daraus folgt, dass der fragliche Vertrag zwangsläufig eine Dienstleistungskonzession sein muss, wenn er kein Dienstleistungsauftrag ist, und umgekehrt“ (Rn. 26).

Das klingt so wie: Wenn es nicht Tag ist, ist es Nacht, und umgekehrt. Nach weiterer Auffassung des Generalanwalts habe das Fehlen einer unmittelbaren Vergütung des Dienstleistungserbringers die Qualifikation des fraglichen Dienstleistungsauftrags als Dienstleistungskonzession zur Folge (Rn. 27). Sodann führt er überraschend einschränkend fort:

„Allerdings liegt bei einer unmittelbaren Vergütung des Dienstleistungserbringers durch die öffentliche Stelle nicht zwangsläufig ein Dienstleistungsauftrag vor“ (Rn. 28).

Auch die weiteren Ausführungen bleiben schwammig und teilweise widersprüchlich. Insbesondere ist zu kritisieren, dass der Generalanwalt mit der „Unmittelbarkeit“ ein neues Merkmal in die Diskussion einführen möchte, was überflüssig ist. Als Abgrenzungsmerkmal hilft dies auch nicht weiter, da es zahlreiche Vergütungsmodalitäten gibt, wie der Generalanwalt selbst einräumt.

Als Abgrenzungsmerkmal bleibt es daher nach wie vor bei der Frage, welche Partei das Betriebsrisiko trägt und in welchem Umfang dieses Risiko auf den Konzessionär übertragen wird. Zu dem Umfang hat sich der EuGH in Sachen Eurawasser geäußert (C-206/08). Danach könne eine Dienstleistungskonzession auch vorliegen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt. Dieser Maßstab muss auch für das hier gegenständliche Konzessionsmodell im Rettungsdienstbereich gelten.

4. Praxishinweis

Die ausschreibenden Stellen in Ländern, in denen das Konzessionsmodell zur Anwendung gelangt, bewegen sich derzeit in einem nicht abgesicherten Rechtsrahmen – sie können es also darauf ankommen lassen, im Wege der Dienstleistungskonzession auszuschreiben. Private Bieter wie Stadler, die dann nicht zum Zuge kommen, können sich überlegen, ob sie ihr Heil vor den Vergabekammern suchen; ein solches Vorgehen birgt bis zur Entscheidung des EuGH jedoch erhebliche Unsicherheit und sollte derzeit gut überlegt sein.

Der Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Dienstleistungskonzession und kein Ende, Teil 2: Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag

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Recht

Paragraph Im ersten Teil der Serie hat unser Autor die Dienstleistungskonzession als unionsrechtlichen Begriff und als Modell der Privatisierung identifiziert und die Voraussetzungen für deren Vorliegen definiert. Die Frage, ob eine Dienstleistungskonzession oder ein öffentlicher Auftrag vorliegt ist sowohl für Auftraggeber als auf Bieter erheblich. Denn bei der Dienstleistungskonzession finden die Vergaberichtlinien einschließlich der effektive Rechtsschutz keine Anwendung (s. hierzu auch den Beitrag des Autors hier). Wichtigste Voraussetzung und Abgrenzungsmerkmal ist die Frage, ob der Konzessionär („Auftragnehmer“) das wirtschaftliche Risiko trägt (dann Dienstleistungskonzession). (Anmk. der Red.)

1. Hilfestellungen vom Gesetzgeber? Weit gefehlt!

Es gibt keine Leitlinien oder ähnliches, an denen sich die Vergabestelle orientieren könnte, ob das wirtschaftliche Risiko dergestalt verlagert wird, dass von einer Dienstleistungskonzession ausgegangen werden darf. Auch die Mitteilung der Kommission vom 1.8.2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (2006/C 179/02) enthält keine näheren Hinweise zu diesem Gesichtspunkt. Dafür gibt es massenhaft Rechtsprechung, die in den nachfolgenden Erörterungen mitschwingt.

2. Abgrenzungsmerkmal zum öffentlichen Auftrag: Das wirtschaftliche Risiko

Das Zünglein an der Waage ist die Frage, ob der Auftragnehmer das wirtschaftliche Risiko trägt. Trägt er es, liegt eine Dienstleistungskonzession vor und er ist nicht länger Auftragnehmer, sondern „Konzessionär“. Allein der Umstand, dass im Vertrag geregelt ist, dass das „wirtschaftliche Risiko beim Auftragnehmer liegt“ ist natürlich nicht ausschlaggebend, wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist. Grundsätzlich gilt, dass das wirtschaftliche Risiko je nach Einzelfall zu bemessen ist und dabei alle die Leistung des Konzessionärs betreffenden risikoerhöhenden und risikoverringernden Faktoren zu berücksichtigen sind. Von Bedeutung sind dabei neben der Ausgestaltung des Dienstleistungsvertrages auch das allgemeine Betriebs- und Marktrisiko. Das klingt alles kompliziert – ist es auch. Einige dieser Faktoren seien nachfolgend umrissen.

3. Faktoren, die für und wider das wirtschaftliche Risiko sprechen

Eine Beschränkung der Privatautonomie des Auftragnehmers etwa durch Weisungs- , Kontroll- und Auskunftsrechten des Auftraggebers beschränkt die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Auftragnehmers und erhöht sein wirtschaftliches Risiko. Andererseits: Wenn er sich in einem Korsett befindet, das ihm kaum noch eigenen Handlungsspielraum überläßt, widerspricht dies dem Grundgedanken der Dienstleistungskonzession als einem Instrument der Privatisierung; zu viel Beschränkung widerspricht also wiederum der Dienstleistungskonzession.

Eine Festlegung der Höhe des Nutzungsentgelts durch den Auftraggeber kann sowohl für als auch gegen das wirtschaftliche Risiko des Auftragnehmers sprechen. Eine solche Festlegung bedeutet, dass der Auftragnehmer von den Nutzern kein höheres Entgelt verlangen darf, das Kostendeckungsrisiko könnte bei ihm verbleiben und damit die Gewinnchance verblassen. Andererseits: Verfügt der Auftragnehmer durch die Konzession über ein Monopol und sind die Nutzer auf seine Leistung angewiesen (etwa Anschluss- und Benutzungszwang), spricht dies wiederum gegen sein wirtschaftliches Risiko. Aber: Der Umstand, dass ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, spricht nicht per se gegen eine Dienstleistungskonzession. Denn selbst bei einem Anschluss- und Benutzungszwang kann das wirtschaftliche Risiko beim Auftragnehmer verbleiben, wenn übrige Faktoren dies bewirken, was wiederum im Einzelfall festzustellen ist.

Gegen das wirtschaftliche Risiko sprechen regelmäßig Faktoren wie Ausgleichszahlungen oder Ausfallsicherheiten des Auftraggebers oder sonstige Unterstützungsleistungen. Auch Preisanpassungsklauseln sprechen gegen das wirtschaftliche Risiko des Auftragnehmers, da durch diese vor allem Marktrisiken aufgefangen werden können. Allein der Umstand, dass der Konzessionär (Auftragnehmer) gegenüber den Nutzern ein Entgelt erhebt, führt nicht automatisch zur Annahme, dass er auch das wirtschaftliche Risiko trägt. Anderer, fehlerhafter, Auffassung scheint dagegen der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Ján Mazák in seinen Schlussanträgen vom 9.9.2010 zum Rettungsdienstbereich zu sein.

4. Umfang der Risikotragung

Stellt man am Ende einer schwierigen Prüfung fest, dass der Auftragnehmer wirtschaftliche Risiken trägt, stellt sich die Frage, in welchem Umfang er dies tun muss, damit eine Dienstleistungskonzession zu bejahen ist.

Zu dem Umfang hat sich der EuGH in Sachen Eurawasser geäußert (C-206/08). Danach könne eine Dienstleistungskonzession auch vorliegen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt. Viel ist mit diesem Hinweis nicht geholfen.

5. Fazit und Praxishinweis

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag zuweilen sehr schwierig sein kann, was die ohnehin bestehende Rechtsunsicherheit im Bereich der Dienstleistungskonzession weiter schürt. Andererseits bestehen bei der Vergabe der Dienstleistungskonzession dadurch noch Spielräume, die sich die öffentlichen Auftraggeber ungern (von der Kommission) nehmen lassen wollen. Um diesen Spielraum zu nutzen, kommt es in der Praxis derzeit vor allem auf die Vertragsgestaltung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber an.

Im Teil 3 (vorauss. im Februar 2011) werde ich näher auf das Ausschreibungsverfahren bei Vergabe einer Dienstleistungskonzession eingehen.

Der Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Wie war das noch mit der Eignung und der Nachforderung von Nachweisen? – Ein komprimierter Überblick für die Vergabepraxis

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RechtUNBEDINGT LESEN!

Paragraph Vermehrt wurde in letzter Zeit an uns herangetragen, dass es sowohl bei Auftraggebern als auch bei Bietern immer wieder zu Unsicherheiten bei dem Umgang mit Eignungsnachweisen kommt. Neben der zuweilen schwierigen Abgrenzung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien hat sich die Verunsicherung durch die neuen Vergabe- und Vertragsordnungen verstärkt, welche nämlich nunmehr den Grundsatz der Eigenerklärung festschreiben und die Möglichkeit des Nachforderns von Nachweisen eröffnen. Da es zu diesen neuen Regeln kaum Entscheidungen der Vergabekammern gibt, haben wir unseren Autor Dr. Roderic Ortner gebeten, unseren Lesern und Leserinnen einige praktische Tipps mit auf den Weg zu geben.

Was ist Eignung?

Ein oberstes vergaberechtliches Prinzip besagt, dass Aufträge an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben werden. Dieses Prinzip steht in § 97 Abs. 4 Satz 1 GWB und damit in unmittelbarer Gesellschaft zu den übrigen grundlegenden vergaberechtlichen Prinzipien, wie etwa dem Gleichbehandlungs- und Wettbewerbsgrundsatz. Auf Ebene der Vergabeordnungen VOB/A, VOL/A und VOF (je Ausgabe 2009) wird dieses Prinzip wiederholt und als „Eignung“ definiert; allerdings findet man dort die „Gesetzestreue“ nicht mehr, welche aber wohl ohnehin in der Zuverlässigkeit enthalten ist.

Geforderte Eignungsnachweise müssen „gerechtfertigt“ sein

Nach VOL/A und VOF dürfen von Unternehmen zum Nachweis der Eignung nur Unterlagen und Angaben gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags „gerechtfertigt“ sind (ähnlich bei VOB/A). „Gerechtfertigt“ sind nur solche Unterlagen und Angaben, welche im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag angemessen, d.h. verhältnismäßig sind. Dabei sind auch mittelständische Interessen zu berücksichtigen, dies folgt jedenfalls oberhalb der Schwellenwerte aus § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB (diese Folge ist allerdings nicht unumstritten). Unverhältnismäßige Eignungsnachweise stellen einen Vergabefehler dar, den ein Bieter rügen kann.

Der Grundsatz der Eigenerklärungen und Abgrenzung zu Dritterklärungen

Seit 11. Juni 2010 sind nach allen Vergabeordnungen zur Überprüfung der Eignung grundsätzlich nur noch Eigenerklärungen zu verlangen. Damit sollen Einsparungen auf Bieter- und Auftraggeberseite erreicht werden. Die Forderung von anderen Nachweisen soll nun die Ausnahme bleiben und ist, wie bei jeder Ausnahme im Vergaberecht, zu begründen und zu dokumentieren.

Leider wird uns nicht verraten, was Eigenerklärungen genau sind. Hier wird man wohl zunächst feststellen können, dass Eigenerklärungen von Fremd- bzw. Dritterklärungen abzugrenzen sind. D.h., sämtliche Erklärungen, die der unmittelbaren Sphäre des Unternehmens entstammen, sind Eigenerklärungen, wie etwa die Wiedergabe von Referenzprojekten, Umsatzzahlen, Bilanzen. Dritterklärungen sind dagegen z.B. Registerauszüge oder Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die bei öffentlichen Stellen beantragt werden müssen, Zertifikate, Bankerklärung, Versicherungsnachweis.

Freilich kann von einem Unternehmen verlangt werden, dass es erkläre, dass es über eine bestimmte Zertifizierung (oder eine vergleichbare) und über eine Betriebshaftpflichtversicherung mit einer bestimmten Mindestdeckungssumme verfüge. Für den öffentlichen Auftraggeber bietet es sich an, dass er dieses Sammelsurium an Eigenerklärungen einmal für die Schublade vorformuliert, um in Vergabeverfahren die eingehenden Erklärungen besser vergleichen zu können und damit seinen Prüfaufwand insgesamt verringert.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Erfährt der Auftraggeber, etwa über die Medien, Umstände, die ernsthaft gegen die Eignung eines Unternehmens sprechen könnten, darf er sich selbstverständlich von diesem Unternehmen eine Dritterklärung vorlegen lassen, etwa eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts. Das Vergaberecht möchte nicht, dass ein ungeeignetes Unternehmen den Zuschlag erhält. Deshalb darf der Auftraggeber selbst noch während eines Nachprüfungsverfahrens die Eignung überprüfen, wenn sich neue, vom Auftraggeber zu belegende Anhaltspunkte ergeben, die gegen die Eignung sprechen. Wohl gemerkt: Es müssen sich neue Anhaltspunkte ergeben. Denn ein Unternehmen, welches einmal die Eignungsstufe erfolgreich durchlaufen hat, darf grundsätzlich nicht mehr hinsichtlich seiner Eignung geprüft werden. Aus diesem Grund dürfen Eignungs- und Zuschlagskriterien auch nicht vermengt werden. Die Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die vor allem bei persönlich geprägten Dienstleistungen schwierig ist (z.B. Einkauf von Moderatoren), soll hier nicht problematisiert werden, da hierzu bereits an anderer Stelle viel geschrieben wurde und zahlreiche Rechtsprechungsentscheidungen vorliegen.

Der vermeintliche Widerspruch in § 7 Abs. 2 VOL/A-EG

Verwirrend erscheint § 7 Abs. 2 VOL/A-EG. Dort steht: „In finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht kann von den Unternehmen zum Nachweis seiner Leistungsfähigkeit in der Regel Folgendes verlangt werden: a) Vorlage von Bankauskünften (…)“

Dies scheint auf den ersten Blick in Widerspruch zu dem Grundsatz der Eigenerklärungen zu sprechen; die Formulierung ist daher verunglückt. Es handelt sich in § 7 Abs. 2 VOL/A-EG jedoch lediglich um eine abstrakte Aufzählung derjenigen Nachweise, die zur Überprüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit verlangt werden können. Diese Aufzählung enthält sowohl „Eigenerklärungen“ als auch „Dritterklärungen“. Die Frage, ob der Auftraggeber Dritterklärungen verlangen kann, ist jedoch im Vorfeld zu beantworten. In der Praxis werden Nachweise nach § 7 Abs. 2 lit. a) bis c) VOL/A-EG die Ausnahme bleiben.

Eignungsprüfung und Zeitpunkt der Bekanntgabe der Eignungsnachweise

Wann wird die Eignung geprüft? Im Offenen Verfahren bzw. bei der Öffentlichen Ausschreibung erfolgt die Eignungsprüfung auf der 2. Wertungsstufe. Beim Nicht Offenen Verfahren bzw. bei der Beschränkten Ausschreibung und beim Verhandlungsverfahren bzw. bei der Freihändigen Vergabe mit Teilnahmewettbewerb erfolgt die Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb.

Unabhängig von dem Ausschreibungsverfahren gilt, dass im Fall einer öffentlichen Bekanntmachung die zur Überprüfung der Eignung geforderten Nachweise und Erklärungen bereits in der Bekanntmachung abschließend genannt werden müssen. Nachträglich sind lediglich Konkretisierungen der bereits genannten Nachweisforderungen möglich. Der Auftraggeber darf aber etwa keinen vermeintlich vergessenen weiteren Nachweis nachfordern und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Nachweis um ein Mindestkriterium oder um ein Bewertungskriterium handelt (umstritten). Die Auftraggeber sollten daher besonders sorgfältig bei der Formulierung der Eignungsnachweise sein.

Spannungsverhältnis „Kein Mehr an Eignung“ und Abschichtungsmöglichkeit

Letzteres gilt vor allem dann, wenn die Eignungsnachweise gewichtet werden. Es gilt zwar der Grundsatz „Kein Mehr an Eignung“ und eine Gewichtung scheint diesem Grundsatz zu widersprechen. Bei einem Teilnahmewettbewerb erlaubt das Gesetz jedoch eine Reduzierung der auszuwählenden Bewerber auf mindestens fünf bzw. drei (je nach Verfahren). Das bedeutet, dass ein Bewerber, der geeignet ist, gleichwohl nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert werden könnte, schlicht deshalb, da das Gesetz dem Auftraggeber ein „Abschichten“ erlaubt, vgl. etwa § 3 Abs. 5 VOL/A-EG.

Wann wird ein Nachfordern „können“ zu einem „müssen“?

Die neuen Vergabeordnungen sehen vor, dass Erklärungen und Nachweise nachgefordert werden können (bzw. müssen bzgl. Mindestkriterien bei VOB/A). „Können“ heißt, dass der Auftraggeber ein Ermessen hat, ob er nachfordert. Die Frage stellt sich nun, wann sein Ermessen derart reduziert ist, dass er nachfordern „muss“.

Nachfristsetzung und Ermessensreduzierung

Streng dem Wortlaut darf nur einmal nachgefordert werden, d.h. einmal eine Nachfrist gesetzt werden. Danach ist ein Nachfordern nicht mehr möglich. Das erscheint auch sinnvoll, da ein Bieter, der nachreichen darf, stets gegenüber den von Anfang an „korrekten“ Bietern einen zeitlichen Vorsprung erhält. Die Nachforderungsfrist sollte daher möglichst kurz sein, m.E. nicht länger als eine Woche.

Ermessensreduzierung aufgrund Gleichbehandlungsgrundsatz

Sicherlich und unstreitig liegt eine Ermessensreduzierung vor, wenn der Auftraggeber bei einem Bewerber einen bestimmten Nachweis X nachfordert, nicht aber von einem anderen Bewerber. Gilt dies aber auch, wenn er zwar von allen Bewerbern die vergessenen Nachweise X nachfordert, nicht aber die teilweise ebenfalls vergessenen Nachweise Y? Beispiel: Der Auftraggeber verlangt von zwei Bewerbern die Eigenerklärung zur Zuverlässigkeit nach, nicht aber vom dritten Bewerber, den er ausschließt. Denn dieser dritte Bewerber hatte außerdem keine Eigenerklärung zur finanziellen Leistungsfähigkeit beigefügt. Es stellt sich also die Frage nach dem „Alles oder nichts“. Muss der Auftraggeber, wenn er irgend einen Nachweis nachfordert, dann auch alle Nachweise nachfordern, die nicht eingereicht wurden? Die Frage ist noch nicht abschließend geklärt, ich tendiere dazu, dass je nach konkretem Einzelfall bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, der zu dokumentieren wäre, ein teilweises Nachfordern zulässig ist.

Beispiel: Angenommen, der Auftraggeber verlangt sowohl Eignungsnachweise nach Mindestkriterien, z.B. die Vorlage eines Datenschutzkonzepts als auch nach Bewertungskriterien, z.B. die Vorlage von Referenzen, wobei jede Referenz mit bis zu drei Punkten bewertet wird. In diesem Fall erscheint es zulässig, dass der Auftraggeber nur die Nachweise nachfordert, deren Vorlage zwingend war (also als Mindestkriterium gekennzeichnet waren), nicht jedoch die Nachweise, die bewertet werden. Denn angenommen, ein Bieter A reicht eine Referenz ein, die der Aufraggeber mit 2 Punkten bewertet. Bieter B hat keine Referenz beigefügt. Wenn nun B aufgefordert würde, noch Referenzen nachzureichen, würde er gegenüber A bevorzugt, zumindest in zeitlicher Hinsicht bei der Zusammenstellung und Beschreibung der Referenz(en). Aber auch diese Konstellation ist bislang nicht abschließend geklärt.

Ermessensreduzierung aufgrund Wettbewerbsgrundsatz

Eine Ermessensreduzierung kommt m.E. auch dann in Betracht, wenn etwa nur drei Teilnahmeanträge/Angebote vorliegen und bei einem ein bestimmter Nachweis fehlt. Wenn der Auftraggeber nun diesen Bewerber/Bieter ausschlösse, ohne den Nachweis nachgefordert zu haben, würde der Wettbewerb unangemessen beschränkt. Aus diesem Grund muss der Auftraggeber in einer solchen Konstellation den Nachweis nachfordern. Wenn der Nachweis dann immer noch nicht erbracht wird, wäre mit den beiden verbleibenden Bietern weiterzumachen, der Auftraggeber hätte dann jedenfalls versucht, den Wettbewerb möglichst lange offen zu halten. Entscheidungen hierzu liegen aber, soweit ersichtlich, noch nicht vor.

Liste der Nachweise

Zu erinnern sei in diesem Zusammenhang daran, dass der Auftraggeber nach VOL/A sämtliche Nachweise, die er verlangt, in einer abschließenden Liste zusammenstellen muss. Hierbei handelt es sich wohl um ein Gebot, auf welches sich ein Bieter berufen kann. Das bedeutet: Fehlt eine solche Liste und wird ein Bieter ausgeschlossen und kann dieser Bieter belegen, dass er den Nachweis, der an versteckter Stelle gefordert wurde, eingereicht hätte, wenn es eine solche Liste gegeben hätte, ist nicht auszuschließen, dass eine Vergabekammer anordnet, dass das Vergabeverfahren insoweit wiederholt wird.

Der Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen

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Recht

ParagraphMehr als 3.000 Strom- und Gaskonzessionsverträge laufen in den nächsten Jahren aus und erfordern deren Neuvergabe; denn länger als 20 Jahre dürfen solche Verträge nicht abgeschlossen werden. Für die Marktteilnehmer stellen sich nun zahlreiche wirtschaftliche und juristische Fragen. Unser Autor Dr. Roderic Ortner widmet sich an dieser Stelle der juristischen Frage, wie und nach welchen Regeln die Neuvergabe erfolgt.

Gemeinsamer Leitfaden Bundeskartellamt/Bundesnetzagentur

Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur haben anläßlich dieser Flut an Neuverträgen zu dem Thema einen Gemeinsamen Leitfaden veröffentlicht. Überwiegend wird gesagt, dass die uns bekannten Vergabevorschriften, insb. das GWB, VgV und VOL/A auf Strom- und Gaskonzessionsverträge keine Anwendung finden. Nach Auslaufen eines solchen Vertrages habe der Auftraggeber (das EnWG spricht von Gemeinde) gleichwohl eine Art Vergabe durchzuführen. Nach dem oben zitierten Gemeinsamen Leitfaden folgt dies aus den allgemeinen europäischen Vergabeprinzipien. Andere sind der Auffassung, bei einer Vergabe von Strom-/Gas-Konzessionsverträgen nach § 46 Abs. 2, 3 EnWG handele es sich um eine Dienstleistungskonzession, so dass die Regeln über Dienstleistungskonzessionen anwendbar seien, d.h. auch die Mitteilung der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen.

Strom- und Gaskonzessionen = Dienstleistungskonzession?

Handelt es sich bei einem Strom-/Gaskonzessionsvertrag aber wirklich um eine Dienstleistungskonzession? Dies ist zu bejahen, wenn die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen an eine Dienstleistungskonzession erfüllt sind. Denn dann geht Unionsrecht vor und der Gemeinsame Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundenetzagentur muss das Nachsehen haben.

Die erste Voraussetzung der Dienstleistungskonzession dürfte klar sein: Der Konzessionär muss eine Dienstleistung erbringen. Dies ist bei einem Strom-/Gaskonzessionsvertrag gegeben, denn die zu verrichtenden Dienstleistungen bestehen darin, dass der Konzessionär vorhandene Leitungsnetze in Stand hält, neue Leitungsnetze errichtet und das Leitungsnetz betreibt.

Weiterhin muss der Konzessionär als Vergütung das Recht zur Verwertung der eigenen Leistung eingeräumt werden. Auch dies ist zu bejahen, da die Hauptleistungspflicht des öffentlichen Auftraggebers (in der Regel ein Kreis, eine Stadt oder eine Gemeinde) darin besteht, dem Konzessionär seine öffentlichen Wege, Straßen und Plätze zur Verfügung zu stellen. Der Konzessionär verwertet die Leistung in der Regel durch Erhebung von Nutzungsgebühren. Im Gegenzug zahlt er der Gemeinde eine regelmäßige Konzessionsabgabe.

Wichtigstes Merkmal der Dienstleistungskonzession ist freilich, dass der Konzessionär das wirtschaftliche Risiko der Verwertung trägt. Dies ist jedoch stets eine Einzelfallfrage, bei welcher alle die Leistung des Konzessionärs betreffenden risikoerhöhenden und risikoverringernden Faktoren zu berücksichtigen sind. Dazu gehört neben der vertraglichen Risikoverteilung auch das allgemeine Betriebs- und Marktrisiko. Die Antwort auf die oben gestellte Frage lautet also, wie so oft: „Es kommt darauf an!“ Falls der (Strom-/Gas-) Konzessionär das (ggf. bereits eingeschränkte) Risiko zu einem nicht unerheblichen Teil übernimmt, handelt es sich um eine Dienstleistungskonzession. Andernfalls könnte es sich, ketzerisch gesprochen, sogar um einen öffentliche Auftrag handeln.

In der Praxis wird in aller Regel eine Dienstleistungskonzession vorliegen. Die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträge muss sich daher an den Regeln über die Vergabe einer Dienstleistungskonzession messen lassen. Eine gerichtliche Entscheidung hierüber gibt es aber leider noch nicht.

Strom- und Gaskonzessionen – Inhouse-Vergabe möglich?

Ebenfalls noch ungeklärt ist die Frage, ob und inwieweit die Vergabe von Strom-/Gaskonzessionsverträgen nach § 46 Abs. 2 und EnWG von den Regelungen über die Inhouse-Vergabe nach der Teckal-Rechtsprechung des EuGH überlagert wird. Aus meiner Sicht ist die Vergabe „inhousefähig“, d.h. bei Vorliegen der Teckal-Voraussetzungen muss ein Strom-/Gaskonzessionsvertrag natürlich nicht ausgeschrieben werden. Eine andere Sichtweise liefe auf einen Privatisierungszwang hinaus. Eine öffentliche Bekanntmachung machte im Übrigen auch keinen Sinn, da ohnehin keine Öffnung des Auftrags aus dem staatlichen Bereich hinaus erfolgen soll. Dies hat der EuGH für Dienstleistungskonzessionen auch unlängst – und oft übersehen – bestätigt (Urteil vom 13.10.2005, Rs. C-458/03, Parking Brixen, Rn. 62).

Fazit

Nach Ablauf einer Strom-/Gaskonzession ist diese im Wettbewerb neu auszuschreiben. Da es sich in aller Regel um eine Dienstleistungskonzession handelt, findet das streng formalisierte Vergaberecht keine Anwendung und die Vergabenachprüfungsinstanzen sind unzuständig. Gleichwohl erfolgt die Vergabe nicht in einem rechtsfreien Raum. Zu beachten sind die allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Transparenz. Handlungsanweisungen an die ausschreibende Stelle enthalten der oben zitierte Gemeinsame Leitfaden des Bundeskartellamts und der Bundesnetzagentur sowie die Mitteilung der Kommission. Keine Ausschreibungs- und damit Bekanntgabepflicht besteht, wenn die Konzession „inhouse“ vergeben wird.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner berät Auftraggeber und Bieter in allen vergaberechtlichen Fragen mit einem Schwerpunkt im ITK-, Verteidigungs- und Forschungsbereich. Am 02.03.2011 fand unter seiner Beteiligung ein EWeRK-Workshop zu dem Thema: „Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers“ statt. Hierzu ist ein Aufsatz in der EWeRK 2011, Seite 111 f. erschienen. Zum Aufsatz geht es hier.

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.

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Dienstleistungskonzession und kein Ende, Teil 3: Ausschreibungsverfahren

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ParagraphIm ersten Teil der Serie hat unser Autor die Voraussetzungen der Dienstleistungskonzession definiert. Im zweiten Teil hat unser Autor die wohl wichtigste Voraussetzung zur Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag näher betrachtet, nämlich die Frage, wann der Konzessionär („Auftragnehmer“) das wirtschaftliche Risiko trägt. Der dritte und vorerst letzte Teil der Serie befasst sich mit den Rechtsfolgen der Dienstleistungskonzession. (Anmk. d. Red.)

1. Altes und Neues von der Dienstleistungskonzession

Der Europäische Gerichtshof (EuGH), der jetzt nur noch „Der Gerichtshof“ heißt, hat sich in etlichen Entscheidungen mit der Dienstleistungskonzession befasst. Der Grund hierfür: Die Dienstleistungskonzession wurde schon immer von den Vergaberichtlinien aus ihrem Anwendungsbereich ausgenommen, so dass schon früh, nämlich bereits vor über zehn Jahren (EuGH, Urteil vom 07.12.2000 – Rs. C-324/98, Telaustria), gerichtlicher Bedarf entstand, diese „Lücke“ mit Regeln zu füllen. Zuletzt hat sich der Gerichtshof mit Urteil vom 10.03.2011 (Rs. C-274/09) mit der Dienstleistungskonzession befasst, es ging um die Vergabe von Rettungsdienstleistungen in Bayern. Der Vergabeblog berichtete. In internen Kommissionskreisen kursiert nun ein noch unveröffentlichter Vorschlag zur Einbettung der Dienstleistungskonzession in die bestehenden Vergaberichtlinien. Der wohl wichtigste Punkt ist dabei die Einbeziehung des Rechtsschutzes.

2. Nichts neues im Westen: Dienstleistungskonzessionen sind auszuschreiben!

Dienstleistungskonzessionen sind auszuschreiben, d.h. eine Direktvergabe ist in aller Regel ausgeschlossen, es sei denn, es kommt aus besonderen Gründen nur ein Unternehmen in Betracht oder in Fällen besonderer Dringlichkeit. Insofern gelten die Ausnahmeregeln für eine unmittelbare Beauftragung nach den Vergaberichtlinien „erst recht“ bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen.

Zu unterscheiden ist, wie bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags, ob die Dienstleistungskonzession nach nationalen Regeln oder nach EU-regeln auszuschreiben ist. Die Schwierigkeit der Abgrenzung liegt darin, dass es keine Schwellenwerte gibt, die dem Auftraggeber sagen, wann er nach EU-Regeln auszuschreiben hat.

3. EU-weite Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession

Wann also unterfällt eine Dienstleistungskonzession den EU-Regeln und was folgt daraus für das Ausschreibungsverfahren?

Der EuGH hat das o.g. Urteil vom 10.03.2011 mit folgenden Worten geschlossen:

„Es ist hinzuzufügen, dass Verträge über Dienstleistungskonzessionen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts zwar von keiner der Richtlinien erfasst werden, mit denen der Unionsgesetzgeber das öffentliche Auftragswesen geregelt hat, die öffentlichen Stellen, die solche Verträge schließen, aber gleichwohl verpflichtet sind, die Grundregeln des AEU-Vertrags, insbesondere die Art. 49 AEUV und 56 AEUV, sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn – was das vorlegende Gericht zu prüfen hat – an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht“.

In der Praxis stellt sich daher die Frage, ob für die Dienstleistung ein „eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse“ besteht, ob sie also „Binnenmarktrelevanz“ hat und diese „eindeutig“ bejaht werden kann.

a) Binnenmarktrelevanz der Dienstleistungskonzession

Die Kommission führt hierzu in ihrer Mitteilung aus dem Jahre 2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, und darunter fallen auch Dienstleistungskonzessionen, Folgendes aus:

„Die Entscheidung, inwieweit ein Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, obliegt den einzelnen Auftraggebern. Nach Auffassung der Kommission muss dieser Entscheidung eine Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls vorausgehen, wobei Sachverhalte wie der Auftragsgegenstand, der geschätzte Auftragswert, die Besonderheiten des betreffenden Sektors (Größe und Struktur des Marktes, wirtschaftliche Gepflogenheiten usw.) sowie die geographische Lage des Orts der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind.“

Schreibt etwa die Stadt Aachen eine Dienstleistungskonzession hinsichtlich der Stadtmöblierung oder des Breitbandausbaus aus, so muss sie aufgrund des Werts der Leistung und der geographischen Nähe der Stadt zu Belgien, den Niederlanden und Frankreich prüfen, ob dort Wirtschaftsteilnehmer Interesse an dem vakanten Vertrag haben könnten.

Nach dem klaren Wortlaut des EuGH muss dieses Interesse „eindeutig“ zu bejahen sein, d.h. dass m.E. bei Zweifeln an einem grenzüberschreitenden Interesse keine Binnenmarktrelevanz zu bejahen ist. Solche Zweifel bestehen freilich dann nicht mehr, wenn sich entsprechende Unternehmen in der näheren Vergangenheit bereits um solche Aufträge bemüht bzw. ihr Interesse bekundet haben.

Angenommen, der Auftraggeber bejaht eine Binnenmarktrelevanz stellt sich nun die weitere Frage, wie die ausländischen Wirtschaftsteilnehmer einzubeziehen sind.

Hierzu stellt die Kommission in der o.g. Mitteilung zunächst klar:

„Kommt der Auftraggeber zu dem Schluss, dass der fragliche Auftrag für den Binnenmarkt relevant ist, muss die Vergabe unter Einhaltung der aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Grundanforderungen erfolgen. (…).

Das Kontaktieren einer bestimmten Anzahl potenzieller Bieter ist nach Auffassung der Kommission nicht ausreichend, selbst wenn der Auftraggeber auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbezieht oder versucht, alle potenziellen Anbieter zu erreichen. (…).

Daher lassen sich die vom EuGH festgelegten Erfordernisse nur erfüllen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird.“

Festzuhalten ist: Eine Dienstleistungskonzession mit Binnenmarktrelevanz ist öffentlich bekannt zu geben.

b) Bekanntmachungsmedium

Es stellt sich dann die weitere Frage, wo genau die Konzession bekannt zu geben ist. Auf der Hand läge nun eine Bekanntmachung im Tenders Electronic Daily, denn schließlich wurde die Binnenmarktrelevanz bejaht. Dem ist aber nicht zwingend so. Die Kommission sagt hierzu in der o.g. Mitteilung:

„Je interessanter der Auftrag für potenzielle Bieter aus anderen Mitgliedstaaten ist, desto weiter sollte er bekannt gemacht werden. Vor allem bei Aufträgen über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18/EG und Anhang XVII Teil B der Richtlinie 2004/17/EG, die die Schwellenwerte dieser Richtlinien überschreiten, ist zur Erzielung einer angemessenen Transparenz im Allgemeinen eine Veröffentlichung in einem Medium mit großer Reichweite erforderlich.“

Dieser Hinweis ist insofern bizarr, als die Kommission auf Anhang II Teil B verweist, welche Anlage II Teil B der VOL/A entspricht. Dort sind aber die sog. nachrangigen Dienstleistungen genannt, bei denen ihrer Natur nach typischer Weise von einer geringeren Binnenmarktrelevanz ausgegangen wird, da es sich regelmäßig um national- oder ortsgebundene Leistungen handelt (Gaststätten, Rechtsberatung, Arbeitsvermittlung, Ausbildung u.ä.). Als Faustformel kann man aber wohl festhalten: Je höher der Wert der Konzession, desto eher ist EU-weit bekannt zu geben. Die Schwellenwerte geben hierzu einen ersten Anhaltspunkt.

Als Bekanntmachungsmedien benennt die Kommission neben der EU-Bekanntmachungsplattform TEDT (enotices) auch nationale Amtsblätter, Ausschreibungsblätter, regionale oder überregionale Zeitungen und Fachpublikationen und sogar Lokalzeitungen, Gemeindeanzeiger oder gar die Anschlagtafel. Es sei daran erinnert, das zuvor eine Binnenmarktrelevanz bejaht wurde, so dass eine Bekanntmachung in einer Lokalzeitung oder auf einer Anschlagetafel im örtlichen Rathaus seltsam anmutet und in der Praxis wohl auch keine Rolle spielen dürfte.

c) Auswahlverfahren und Auswahlkriterien

Es bietet sich an, die Vergabe der Dienstleistungskonzession an einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb auszurichten, so dass einer bekannten Eignungsprüfung (d.h. insbesondere Prüfung von Referenzen) die Angebotsprüfung folgt. Bei dieser ist in qualitativer Hinsicht ebenfalls wie „üblich“ zu verfahren, d.h., dass sich der Auftraggeber etwa ein technisches Konzept vorlegen läßt oder auch Mindestkriterien formuliert. Schwieriger ist dagegen die Beurteilung des Auswahlkriteriums „Preis“, da der Auftraggeber den Auftragnehmer (Konzessionär) in der Regel nicht bezahlt. Sollte eine (teilweise) Bezahlung vorgesehen sein, was zulässig ist, so wäre dieser zusätzliche „Preis“ als Wertungskriterium denkbar. Als weitere preisliche Anknüpfung kommt in Betracht, wenn der Konzessionär dem Auftraggeber ein Konzessionsentgelt für die Übertragung der Dienstleistung entrichtet, was aber nicht zwingend sein muss. Schließlich ist denkbar, dass man die Höhe der Gebühren, welche der Konzessionär gegenüber den Nutzern erhebt, bewertet. Dann gilt freilich, je geringer die Gebühr, desto mehr Wertungspunkte erhält das Angebot.

d) Befristung

Die Dienstleistungskonzession ist nach weiter Auffassung zu befristen, da dies angeblich ihrem Charakter entspreche. Der EuGH hat dies zwar so nicht eindeutig geäußert. Die Kommission strebt jedoch in ihrem Entwurf zur Ergänzung der Vergaberichtlinien ebenfalls eine Befristung an, so dass sich in der Praxis bereits jetzt für auszuschreibende Verträge empfiehlt, eine Befristung vorzusehen.

4. Nationale Ausschreibung einer Dienstleistungskonzession

Liegt eine Dienstleistungskonzession vor, so folgt bereits aus dem Haushaltsrecht, dass diese im Wettbewerb zu vergeben ist, d.h. das möglichst drei Vergleichsangebote einzuholen sind. Ist die Dienstleistungskonzession von überörtlichem Interesse, so knüpft daran in der Regel eine Pflicht, die Vergabe auch überörtlich bekannt zu geben. Das Vergabeverfahren wird sich in aller Regel an eine Freihändige Vergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb nach VOL/A anlehnen.

5. Rechtsschutz

Ein Rechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen ist bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ausgeschlossen und zwar unabhängig davon, ob eine nationale oder EU-Vergabe vorliegt. Ein Nachprüfungsantrag wäre unter allen Umständen unzulässig. Der Bieterrechtsschutz ist jedoch regelmäßig vor dem Zivilgerichten gegeben, insofern gilt, was derzeit für den Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte geäußert wird. Allerdings ist in der Praxis ein solcher Rechtsschutz wenig effektiv, da ein Zuschlagsverbot in aller Regel nicht mehr im Wege der einstweiligen Verfügung zu erreichen ist. Ob eine Pflicht der Vergabestelle besteht, die Bieter vor Bezuschlagung zu informieren, damit diese überhaupt die Möglichkeit erhalten, ihre Rechte im Wege der einstweiligen Verfügung geltend zu machen, ist noch ungeklärt. Die Rechtsprechung zur sog. beamtenrechtlichen Konkurrentenklage“ spricht jedenfalls für eine solche Hinweis- und Informationspflicht (vgl. BVerwG vom 04.11.2010).

6. Zusammenfassung und Praxishinweis

Liegt eine Dienstleistungskonzession vor muss der Auftraggeber prüfen, ob diese Binnenmarktrelevanz hat. Hat sie Binnenmarktrelevanz empfiehlt sich die Verwendung des EU-Bekanntmachungsformulars. Die oft geäußerte Sorge, dass sich dann auf die ausgeschriebene Dienstleistungskonzession etliche Wirtschaftsteilnehmer aus anderen EU-Ländern bewerben könnten und dies einen massiven Auswertungsprozess nach sich zöge, ist unberechtigt. Denn rein statistisch bewerben sich aus dem EU-Ausland ohnehin nur unter 2 Prozent ausländische Unternehmen.

Weiterhin ist zu empfehlen, das Verfahren an dem bekannten Verhandlungsverfahren auszurichten, insbesondere sind die Bewerbungsbedingungen, Eignungs- und Zuschlagskriterien einschl. deren Gewichtung transparent zu machen.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner berät Auftraggeber und Bieter in allen vergaberechtlichen Fragen mit einem Schwerpunkt im ITK-, Verteidigungs- und Forschungsbereich. Am 02.03.2011 fand unter seiner Beteiligung ein EWeRK-Workshop zu dem Thema: „Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers“ statt. Hierzu ist ein Aufsatz in der EWeRK 2011, Seite 111 f. erschienen. Zum Aufsatz geht es hier.

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.

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Exklusiv im Vergabeblog: Entwurf der überarbeiteten EU-Vergaberichtlinien

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Titel

Nach der Reform ist vor der Reform. Dieses Sprichwort scheint in keinem anderen Gebiet so richtig zu sein wie im Vergaberecht. Kaum gewöhnen wir uns an die neue VOL/A, VOB/A und VOF sind am Horizont bereits neue Änderungen in Sicht. Aktuell und bekannt ist vielen die Umsetzung der Richtlinie zu Vergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (RL 2009/81/EG). Noch nicht allzu bekannt dürfte sein, dass die Europäische Kommission die allgemeinen Vergaberichtlinien vollständig überarbeitet hat und wohl noch im Dezember dem Europäischen Parlament zur Beschlussfassung zuleiten wird. Unser Autor Dr. Roderic Ortner hatte in Brüssel bereits Einblick in die Entwurfsfassung und gibt nachstehend einen kurzen Überblick über einige wichtige Änderungen. Denn beim Vergabeblog lesen Sie es zuerst (Anmk. d. Red.)

Entwurf einer neuen Vergaberichtlinie

Die Kommission hat sowohl die Vergabekoordinierungsrichtlinie (VKR – 2004/18/EG) als auch die Sektorenkoordinierungsrichtlinie (SKR – 2004/17/EG) überarbeitet, die Entwürfe liegen auf Englisch vor. Der nachfolgende Blick ist vorläufig, denn das Europäische Parlament muss noch zustimmen. Ich beschränke mich daher auf eine Zusammenfassung einiger wesentlicher Änderungen in der VKR. Die neue VKR soll nur noch heißen „Directive of the European Parliament and of the Council on public procurement“, also „Vergaberichtlinie“ (VR). Da es sich noch um einen Entwurf handelt, wird sie nachfolgend als „VR-E“ bezeichnet.

Warum die vorweihnachtliche Bescherung?

Der Überarbeitung ist ein langer Entscheidungsprozess vorangegangen, wirklich überraschend ist die Neuauflage also nicht. Hintergrund ist das Bestreben nach einer Vereinfachung und Flexibilisierung des Vergaberechts. Hierzu wurden einige Maßnahmen getroffen, z.B. soll die die traditionelle Unterscheidung zwischen so genannten vorrangigen und nachrangigen Dienstleistungen aufgegeben werden. Dies führt unter anderem dazu, dass einige Dienstleistungen zukünftig vollständig von der Richtlinie erfasst werden, wie etwa Rechtsberatungsleistungen. Andere Leistungen, z.B. aus dem Gesundheits- oder Sozialbereich sollen weiterhin „privilegiert“ werden, u.a. durch einen höheren Schwellenwert von 500.000 EUR und einem weiten Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten.

Dienstleistungskonzession – Freiheit adé

Der Begriff der „Beschaffung“ soll näher definiert werden, um Abgrenzungsfälle besser entscheiden zu können. Konzessionen werden generell einbezogen, also auch die Dienstleistungskonzession.

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird neben dem Wettbewerbs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz als weiterer übergeordneter vergaberechtlicher Grundsatz festgeschrieben.

In-House-Vergabe und Interstaatliche Kooperation – mehr als gewünscht?

Wegen der herrschenden Rechtsunsicherheit, inwieweit Kooperationen zwischen öffentlichen Stellen dem Vergaberecht unterfallen, wird dies nunmehr in einem eigenen Artikel ausführlich behandelt. Dieser enthält zunächst die In-House-Voraussetzungen (auch Teckal-Kriterien genannt). Die Ausnahme vom Vergaberecht soll auch dann greifen, wenn ein kontrolliertes Unternehmen, das ein öffentlicher Auftraggeber ist, seine Muttergesellschaft oder eine andere juristische Person, welche es selbst kontrolliert, beauftragt, vorausgesetzt, dass bei der beauftragten Person kein Privater beteiligt ist. Damit werden die In-House-Voraussetzungen auch auf Mütter- und Enkelgesellschaften erstreckt – dies geht m.E. über die Rechtsprechung des EuGH hinaus; die Kommunen werden gestärkt, der Wettbewerb eingeschränkt. Mit Spannung ist daher die Auffassung des Europäischen Paraments zu diesem Punkt zu erwarten.

Art19

Die Entscheidung des EuGH zur „interkommunalen Zusammenarbeit“ (Standreinigung Hamburg) wird ebenfalls berücksichtigt, wobei neben den vom EuGH festgelegten Voraussetzungen ergänzend gefordert wird, dass die an der Kooperation beteiligten öffentlichen Auftraggeber nicht mehr als 10 % ihres Umsatzes am offenen Markt erzielen und Private ebenfalls nicht beteiligt sein dürfen. Die Ausnahme vom Vergaberechtsregime beschränkt sich wohlgemerkt nicht auf Kommunen, sondern auf sämtliche öffentliche Auftraggeber. Das Urteil des EuGH wird daher richtigerweise weit verstanden. Das bedeutet, dass etwa ein öffentlicher Auftraggeber in Bayern mit einem Auftraggeber in Niedersachsen kooperieren könnte, ohne dass die die Leistung betreffende Kooperation ausgeschrieben werden müsste (es sei denn, dass andere Regelungen dagegen sprechen, etwa kommunales Wirtschaftsrecht).

Vielleicht führt die Neuregelung endlich dazu, dass die (nur) in Deutschland typische Differenzierung zwischen delegierenden und mandatierenden Vereinbarungen, jedenfalls vergaberechtlich, überwunden wird.

Forschung und Entwicklung – Nichts Neues im Westen

Leistungen im Bereich Forschung und Entwicklung werden nun zunächst explizit in die VR-E einbezogen, vorausgesetzt, dass die Ergebnisse ausschließlich dem Auftraggeber für den Eigengebrauch zu Gute kommen und die Leistung vollständig bezahlt wird. Andernfalls fallen sie aus dem Anwendungsbereich heraus. Neu ist: Die exakten CPV-Nummern werden genannt.

Verteidigung und Sicherheit

Leistungen im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich werden in die neue VKR einbezogen, es sei denn, sie fallen unter Art. 346 AEUV oder unter die RL 2009/81. Damit ist der Dreiklang perfekt: Der militärische Einkäufer wird es in Zukunft nicht leichter haben.

Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb = Standardverfahren!

Als Standardverfahren sollen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gleichrangig neben das Offene Verfahren zu stellen. Hier sei daran erinnert, dass nach der VKR bereits heute das Nicht Offene Verfahren gleichrangig zum Offenen Verfahren ist und und es allein dem deutschen Gesetzgeber zuzuschreiben ist, dass er das Nicht Offene Verfahren nur in bestimmten Ausnahmefällen zuläßt. Es bleibt daher abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber von seiner strengeren Position abrückt.

Fristen kürzer

Die Fristen werden verkürzt. Die Angebotsfrist beim Offenen Verfahren soll nunmehr 35 Tage betragen, die Teilnahmefrist beim Nicht Offenen und Verhandlungsverfahren 30 Tage. In Fällen besonderer Dringlichkeit können die Fristen – wie gehabt – weiter verkürzt werden.

Innovation Partnership – neues sanftes Monster?

Eingeführt werden soll die „innovation partnership“ als neue Verfahrensform für Ausschreibungen von innovativen Leistungen. Geregelt wird die Errichtung der Partnerschaft und anschließende Beschaffung von neuen, innovativen Liefer- Dienst- und Bauleistungen. Die Konstruktion scheint nicht unkompliziert. Man darf daher gespannt sein, was dieses neue sanfte Monster auf Brüssel (frei nach Hans Magnus Enzensberger) in Zukunft bringen wird.

Art29

Rahmenvereinbarungen, kein Anschluss unter dieser Nummer

Bei Rahmenvereinbarungen wird klargestellt, dass nur diejenigen Auftraggeber, die von Anfang an in der Rahmenvereinbarung als Berechtigte genannt sind, auf den Rahmen zugreifen können. Damit wird klar gestellt, dass die häufig zu beobachtende Praxis, dass sich ein neuer öffentlicher Auftraggeber an eine bestehende Rahmenvereinbarung (z. B. Kaufhaus des Bundes) „anschließt“, unzulässig ist.

Vorgabe eines Mindestumsatzes eingeschränkt

Grundsätzlich dürfen öffentliche Auftraggeber zur Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit keinen Mindestumsatz mehr verlangen, der das Dreifache des voraussichtlichen Auftragswerts übersteigt. Auch hiermit sollen KMU gefördert werden. In bestimmten Fällen darf von dieser Grundregel freilich abgewichen werden.

Eignungskriterien im Kleid von Zuschlagskriterien erlaubt!

Soweit es für die Leistungserbringung vor allem auf persönliche Erfahrungen ankommt, d.h. auf die Eignung, soll das Postulat „Keine Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien“ durchbrochen werden. Das bedeutet, dass die Eignung bei der Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots geprüft werden kann.

Vertragsmodifikationen

Der VR-E enthält Regelungen, wann eine Vertragsmodifikation zu einer Neuausschreibungspflicht führt. Im wesentlichen handelt es sich hier um die vom EuGH in seiner Pressetext-Entscheidung aufgestellten Grundsätze. Ausgenommen von der Neuausschreibungspflicht sind explizit Änderungen aufgrund Rechtsnachfolge oder Umstrukturierung. Ebenso ausgenommen sind Änderungen, die durch eine Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB) erfolgen müssen, soweit dadurch nicht der ursprüngliche Vertrag komplett umgeworfen wird und sich der Preis nicht um mehr als 50 % des Ursprungspreises erhöht.

Externe Kosten – praktikabel?

Zu den Kosten, welche bei der Prüfung der Angebote berücksichtigt werden, sollen auch externe Kosten zählen können, d.h. etwa Umweltkosten, soweit diese monetarisiert und bestimmt werden können.

Grundsatz der Eigenerklärung – Deutschland macht es vor I

Der Grundsatz der Eigenerklärung, der in Deutschland ohnehin nun Standard ist, wird auch im VR-E konstituiert. Flankiert werden soll dies durch den „European Procurement Passport“.

Losaufteilung – Deutschland macht es vor II

Der VR-E führt die Pflicht ein, ab einem Auftragswert von 500.000 EUR den Auftrag in Lose zu unterteilen, um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu fördern. In Deutschland gilt dieser Grundsatz ohnehin schon lange, so dass sich hier nur die Frage stellen wird, wie sich die Regelungen untereinander verhalten.

Direktzahlung an Subunternehmer

Vorgesehen werden soll die Möglichkeit, dass Subunternehmer bzw. Nachunternehmer direkt vom Auftraggeber bezahlt werden. Auch dies soll KMU schützen.

Zentrale Beschaffungsstellen – heute in, morgen out?

Ein ganzer Artikel mit sieben Absätzen ist dem derzeit in vielen Mitgliedstaaten, allen voran Deutschland, beliebten Einkauf durch zentrale Beschaffungsstellen gewidmet. Ob sich solche Stellen volkswirtschaftlich langfristig rechnen, bleibt zu beobachten.

Umsetzung bis 30.06.2015

Die Richtlinie ist von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 30. Juni 2015 umzusetzen. Es ist also noch ein wenig Zeit, um sich an die gerade erst neuen Regelungen in VOL/A, VOB, VOF, SektVO, VgV und GWB zu gewöhnen.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Entwurf der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) liegt vor – ein Einblick

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RechtSicherheit & Verteidigung

Der Entwurf des BMWi für eine Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit zur Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit (Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit – VSVgV) liegt seit dem 22.03.2012 vor. Es sammelt sich bereits eine Flut an Überarbeitungsvorschlägen aus Unternehmen, Verbänden und weiteren interessierten Kreisen, die bis zum 10.04.2012 einzureichen waren. Der Vergabeblog wird diesen Prozess beobachten und die geneigten Leser in der gewohnten Weise am Nabel des Geschehens informieren. Unser Autor Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner hat den Entwurf ebenfalls unter die Lupe genommen und einige Aspekte herausgearbeitet, die sich von den bekannten Vergaberegeln der VOL bzw. VOB unterscheiden.

Anwendungsbereich

Der VSVgV-E gilt für Vergaben von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen, wobei für Liefer- und Dienstleistungsaufträge zunächst die gesamte Verordnung (§§ 1-47) und für Bauaufträge nur ein Teilbereich (§§ 1 bis 9 und 38 bis 47) Anwendung finden sollen. Bei Dienstleistungsaufträgen nach Anhang II der RL 2009/81/EG sollen allerdings nur § 15 (Leistungsbeschreibung) und § 35 (Bekanntmachung über die Auftragserteilung) anwendbar sein. Das System der vorrangigen und nachrangigen Dienstleistungen ist hier also noch enthalten. Zur Erinnerung: Die Kommission hat in ihren neuen Richtlinienvorschlägen zu SKR und VKR diese Unterscheidung aufgegeben. Eine Diskrepanz würde damit derzeit vor allem für die Rechtsberatungsleistungen folgen, die in der Praxis bei Vergaben im Sicherheits- und Verteidigungsbereich durchaus relevant werden könnten.

Es sei nochmals hervorzuheben, dass für öffentliche Auftraggeber die Prüfung des jeweiligen Anwendungsbereiches wesentlich ist, da dadurch das weitere Vergabeverfahren bestimmt wird. Die nachfolgende grafische Übersicht soll dies noch einmal verdeutlichen (zum Vergrößern Klicken):

Grafik1

Schwellenwerte

Der VSVgV-E enthält wie die SektVO bzgl. der Schwellenwerte eine Verweisung in die RL 2009/81/EG, so dass der deutsche Gesetzgeber bei Anpassungen der Schwellenwerte durch die Kommission keine Umsetzungsmaßnahmen mehr zu treffen braucht. Dies ist sinnvoll. Der Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge beträgt derzeit 400.000 EUR netto und für Bauaufträge 5.000.000 EUR (siehe VO der Kommission vom 30. 11.2011 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren).

Schutz vor Verschlusssachen

§ 7 VSVgV-E regelt die Anforderungen an den Schutz von Verschlusssachen (VS) durch die Bewerber/Bieter und Unterauftragnehmer bei sog. Verschlusssachenaufträgen. Ein Verschlusssachenauftrag zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass bei dessen Erfüllung Verschlusssachen im Sinne des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes verwendet werden, vgl. § 99 Abs. 9 GWB. Dabei haben Auftraggeber in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen Maßnahmen, Anforderungen und Auflagen zu benennen, die erforderlich sind, um den Schutz von Verschlusssachen entsprechend des jeweiligen Geheimhaltungsgrades zu gewährleisten. § 7 Abs. 2 VSVgV-E benennt Mindestvoraussetzungen an die Bieter und differenziert dabei zwischen VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH und VS-VERTRAULICH oder höher. Im letzteren Fall muss der Bewerber/Bieter darlegen, ob und in welchem Umfang Sicherheitsbescheide bestehen. Grundsätzlich muss der Bewerber/Bieter jedoch erst zum Leistungsbeginn über die erforderlichen Sicherheitsbescheide verfügen, dies folgt aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) VSVgV-E. Dies gilt jedoch nach Abs. 3 Satz 1 nicht, wenn dem Bewerber/Bieter für das Erstellen des Angebots bereits Zugang zu entsprechenden VS einzuräumen ist, was in der Regel der Fall sein wird, da die Leistungsbeschreibung in der Regel detaillierte Angaben zum Leistungsgegenstand enthält und damit hinsichtlich Inhalt, Zeit und Ort Angaben, die geheim zu halten sind.

§ 7 Abs. 3 Satz 2 VSVgV-E enthält folgende weitere Regelung:

„Kann zu diesem Zeitpunkt noch kein Sicherheitsbescheid durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie oder durch entsprechende Landesbehörden ausgestellt werden und wird beim Auftraggeber Zugang zu diesen Verschlusssachen gewährt, müssen Auftraggeber die eingesetzten Mitarbeiter des Unternehmens überprüfen und ermächtigen, bevor diesen Zugang gewährt wird.“

Dies bedeutet zunächst, dass selbst dann, wenn zur Angebotserstellung Einsicht in VS-VERTRAULICH oder höher zu nehmen ist und noch kein Sicherheitsbescheid vorliegt, Bewerber/Bieter gleichwohl eine Zugangsmöglichkeit haben, wenn der Auftraggeber sie hierzu „ermächtigt“. Nach dem Wortlaut „müssen“ Auftraggeber die Möglichkeit einer Einzelermächtigung prüfen. Dies könnte Auftraggeber, die nicht über das nötige Personal und Know-How verfügen, überfordern, so dass zu überlegen wäre, die Einzelermächtigung in das Ermessen der Auftraggeber zu legen.

Der Entwurf hat von seiner Lesart „die eingesetzten Mitarbeiter“ offenbar die Situation vor Augen, dass Mitarbeiter des Bieters beim Auftraggeber an der Pforte stehen und (noch) keinen Sicherheitsbescheid vorweisen können und gleichwohl hinein gelassen werden wollen, um zum Zwecke der Angebotserstellung in einem Sicherheitsbereich Unterlagen oder Räumlichkeiten o.ä. einzusehen. Diese Situation erscheint allerdings praxisfern, da die „einzusetzenden“ (und nicht „eingesetzten“) Mitarbeiter bereits im Vorfeld zu überprüfen und, bei positivem Ergebnis, zu ermächtigen sind. Die Vorschrift regelt allerdings nicht, an welche Voraussetzungen die Ermächtigung durch den Auftraggeber geknüpft ist. Sinnvollerweise hat sich der Auftraggeber am Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes sowie dem Geheimschutzhandbuch zu orientieren.

§ 7 Abs. 4 VSVgV-E regelt Folgendes:

„Auftraggeber können Unternehmen oder bereits feststehenden Unterauftragnehmern, die noch nicht in der Geheimschutzbetreuung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie oder entsprechender Landesbehörden sind oder deren Personal noch nicht überprüft und ermächtigt ist, zusätzliche Zeit gewähren, um diese Anforderungen zu erfüllen. In diesem Fall müssen Auftraggeber diese Möglichkeit und die Frist in der Bekanntmachung mitteilen. Von der Gewährung dieser zusätzlichen Zeit kann abgesehen werden, wenn dadurch erhebliche Nachteile für den Wettbewerb oder die wirtschaftliche Durchführung der Beschaffung durch den Auftraggeber wahrscheinlich sind“.

Die Regelung scheint missglückt und sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren richtig gestellt werden. Satz 1 „können“ scheint dem Auftraggeber ein Ermessen einzuräumen, ob dieser den Unternehmen mehr Zeit einräumt. Satz 3 enthält dann aber erneut eine „können“-Formulierung hinsichtlich der Ausnahme von Satz 1. Dogmatisch ließe sich jedoch ein solches Regel-Ausnahmeverhältnis, das sowohl für die Regel als auch für die Ausnahme ein Ermessen vorzusehen scheint, nicht begründen. In der Begründung zu § 7 Abs. 4 VSVgV-E heißt es „Liegen diese Voraussetzungen bei Unternehmen noch nicht vor, ist aus Gründen eines fairen Wettbewerbs diesen Unternehmen die notwendige Zeit für die Erfüllung der Anforderung zu gewähren“. Das BMWi wollte offenbar doch eine Verpflichtung formulieren, mehr Zeit einzuräumen. Damit würde das BMWi über die RL-Anforderung hinausgehen. Ein Ermessen in § 7 Abs. 4 Satz 3 VSVgV-E kann nicht ernsthaft gemeint gewesen sein. Denn sollten erhebliche Nachteile für den Wettbewerb oder die wirtschaftliche Durchführung der Beschaffung durch den Auftraggeber wahrscheinlich sein, darf es nicht im Ermessen des Auftraggebers liegen, gleichwohl den noch nicht sicherheitsüberprüften Unternehmen mehr Zeit einzuräumen.

Versorgungssicherheit

§ 8 VSVgV-E regelt im Detail mögliche vom Auftraggeber festzulegende Anforderungen an die Versorgungssicherheit. Das Thema Versorgungssicherheit wird im Vergabeblog noch genauer an anderer Stelle beleuchtet werden.

Unterauftragsvergabe

Im Sicherheits- und Verteidigungsbereich haben Unteraufträge erhebliche praktische Relevanz, da häufig Gesamtlösungen eingekauft werden und Bewerber/Bieter dadurch in der Regel Systemhäuser sein werden, welche wiederum auf das Know-how mittelständischer Unternehmen angewiesen sind. Der Richtliniengeber hat in diesem Bereich in Art. 21 der RL 2009/81/EG den Mitgliedstaaten mehrere Umsetzungspielräume eingeräumt. Die nachfolgende Grafik zeichnet diese Spielräume noch einmal nach und verdeutlicht, wie der BMWi-Entwurf diese umgesetzt hat (zum Vergrößern Klicken):

Grafik2

Das BMWi hat sich in § 9 Abs. 3 Nr. 1 VSVgV-E dazu entschieden, es in das Ermessen des Auftraggebers zu legen, ob dieser den Auftragnehmer verpflichtet, einen Teil des Auftrags an Dritte weiter zu vergeben. Beteiligte Interessen hatten im Gegensatz dazu gefordert, die Unterauftragsvergabe als gesetzliche Pflicht auszugestalten. Im Fall der Unterauftragsvergabe muss der Höchstprozentsatz angemessen sein und darf jedenfalls 30 % des Auftragswerts nicht überschreiten. Weiterhin bestimmt § 9 Abs. 3 Nr. 1 VSVgV-E, diesmal als gesetzliche Verpflichtung, dass die Bieter in ihrem Angebot angeben müssen, welchen Teil oder welche Teile ihres Angebots sie durch Unteraufträge zu vergeben beabsichtigen, um die Wertspanne zu erfüllen.

Die §§ 38 bis 42 enthalten detaillierte Regelungen zur Unterauftragsvergabe, u.a. die Pflicht einer Bekanntmachung, welche Angaben nach Anhang V der RL 2009/81/EG enthalten muss (zum Vergrößern Klicken):clip_image006

Das Formular unter simap ist hier abzurufen.

Es liegt allerdings nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 VSVgV-E im Ermessen des Auftraggebers, vom Auftragnehmer zu verlangen, die Bestimmungen der §§ 38 bis 42 auf alle oder bestimmte Unteraufträge anzuwenden, die diese an Dritte zu vergeben beabsichtigen. Auch hier hätte das BMWi die Anwendung der (formalisierten) Regelungen zur Unterauftragsvergabe als gesetzliche Pflicht vorsehen können.

Unabhängig davon gilt die gesetzliche Pflicht der Berücksichtigung mittelständischer Interessen in § 97 Abs. 3 GWB, d.h. insbesondere der Grundsatz der Aufteilung des Auftrags in Lose.

Hervorzuheben ist noch folgende Regelung in § 9 Abs. 5 VSVgV-E, welche auf Art. 21 Abs. 5 RL 2009/81/EG basiert:

„Auftraggeber dürfen einen vom Bieter oder Auftragnehmer ausgewählten Unterauftragnehmer nur auf Grundlage der Kriterien ablehnen, die für den Hauptauftrag gelten und in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegeben wurden. Lehnen Auftraggeber einen Unterauftragnehmer ab, müssen sie dies gegenüber dem betroffenen Bieter oder dem Auftragnehmer schriftlich begründen und darlegen, warum der Unterauftragnehmer ihres Erachtens die für den Hauptauftrag vorgegebenen Kriterien nicht erfüllt.“

Berücksichtigung der VOL/B

Nach § 10 Abs. 3 VSVgV-E sind die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) grundsätzlich zum Vertragsgegenstand zu machen; dies entspricht der VOL-Regelung. Da es sich bei Aufträgen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich oft um komplexe Verträge handelt, sind allerdings Zweifel geboten, ob die VOL/B die grundsätzlich passende Vertragsgrundlage bildet.

Deutsches VergabenetzwerkVergabeverfahren

Nach § 11 Abs. 1 VSVgV-E erfolgt die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen im nicht offenen Verfahren oder im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb. In begründeten Ausnahmefällen ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb oder ein wettbewerblicher Dialog zulässig.

Rahmenvereinbarung

Nach § 14 Abs. 6 VSVgV-E darf die Laufzeit von Rahmenvereinbarungen sieben Jahre nicht überschreiten. Dies gilt nicht in Sonderfällen, in denen aufgrund der zu erwartenden Nutzungsdauer gelieferter Güter, Anlagen oder Systeme und den durch einen Wechsel des Unternehmens entstehenden technischen Schwierigkeiten eine längere Laufzeit gerechtfertigt ist.

Bekanntmachung

Für die Bekanntmachung ist ein gesondertes Formular zu verwenden, dieses ist unter simap hier abzurufen.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie im Autorenverzeichnis.

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Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen (TVgG-NRW) in Kraft getreten: was Auftraggeber und -nehmer wissen müssen

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Politik und MarktRechtUNBEDINGT LESEN!

ParagraphAm 1. Mai trat für Nordrhein-Westfalen das “Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Tariftreue- und Vergabegesetz Nordrhein-Westfalen – TVgG – NRW)” in Kraft. Verstößt ein Auftragnehmer gegen seine Verpflichtungen aus dem Gesetz, kann dies für ihn gravierende Folgen haben, bis zum Ausschluss von sämtlichen öffentlichen Auftragsvergaben für drei Jahre. Unser Autor Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner gibt einen kurzen Überblick über die für die Praxis sehr relevanten Vorschriften.

I. Regelungszweck und Regelungsstruktur

Mit dem TVgG – NRW werden Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen verpflichtet, Tarif-, Umwelt- und Sozialstandards bei Vergaben zu berücksichtigen. Das Gesetz differenziert dabei zwischen Bau- und Dienstleistungen einerseits, sowie Lieferleistungen andererseits. Bei Bau- und Dienstleistungen ist das gesamte Gesetz anzuwenden, bei Lieferleistungen (lediglich) die §§ 3 und 17 bis 19. Entsprechend finden sich Regelungen zu Tariftreue und Mindestlohn auch nur in den §§ 4 bis 16, da diese für den Bau- und Dienstleistungsbereich relevant sind. Die Regelungen zur umweltfreundlichen Beschaffung, Sozialkriterien und Frauenförderung sind darüber hinaus auch für Lieferleistungen relevant und daher in den §§ 17 bis 19 geregelt.

II. Tariftreuepflicht

Kern-Norm des TVgG zur Tariftreuepflicht – NRW ist § 4, welcher unterschiedliche Tatbestände für sog. Verpflichtungserklärungen enthält, welche von den Unternehmen einzufordern sind.

1. Verpflichtungserklärungen

Besteht ein allgemein verbindlich erklärter Tarifvertrag oder eine Rechtsverordnung nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz, so haben die Bieter bei Angebotsangabe schriftlich zu erklären, dass sie die darin genannten Mindestbedingungen einhalten, § 4 Abs. 1 TVgG – NRW.

Fehlt es an einem Tarifvertrag oder an einer solchen Rechtsverordnung – wie zumeist – so haben sich die Bieter bei der Angebotsabgabe schriftlich zu verpflichten, ihren Beschäftigten (ohne Auszubildende) bei der Ausführung der Leistung ein Mindeststundenentgelt von 8,62 EUR zu zahlen, § 4 Abs. 3 TVgG – NRW.

Außerdem müssen sich die Bieter bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, dafür zu sorgen, dass Leiharbeitnehmer gleichermaßen entlohnt werden wie regulär Beschäftigte, § 4 Abs. 5 TVgG – NRW.

Hinsichtlich dieser zahlreichen Verpflichtungserklärungen existiert auch schon ein Formblatt (VHB-VOL NRW, 05/2012, VOL 5f EG Eigenerklärung Tariftreue/Mindestentlohnung).

Fehlt bei Angebotsabgabe die geforderte Verpflichtungserklärung, so ist der Auftraggeber gehalten, diese unter Fristsetzung nachzufordern; wenn dann erneut die Erklärung nicht vorliegt, ist das Angebot zwingend auszuschließen, § 8 Abs. 2 TVgG – NRW. Hier liegt ein Unterschied zu § 16 Abs. 2 VOL/A, der die Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise in das Ermessen des Auftraggebers legt.

2. Verstoß gegen die Verpflichtung

Verstößt ein Auftragnehmer gegen seine Verpflichtung, kann dies für ihn gravierende Folgen haben, die über den Ausschluss aus dem hiesigen Verfahren hinausgehen. So kann das Unternehmen für drei Jahre von sämtlichen öffentlichen Auftragsvergaben ausgeschlossen werden (Eintrag in das Vergaberegister), § 13 Abs. 1 TVgG – NRW. Sollte sich erst während der Vertragsdurchführung feststellen lassen, dass etwa Mitarbeiter des Unternehmens nicht den Mindestlohn erhalten, kann der Auftraggeber den Vertrag außerordentlich kündigen. Weiterhin ist der Auftraggeber verpflichtet, im Fall eines Verstoßes gegen die Befolgung der Verpflichtungserklärung eine Vertragsstrafe vorzusehen, welche zwischen 1 % und 5 % des Gesamtauftragswerts betragen soll, § 12 Abs. 1 TVgG – NRW. Schließlich stellt ein Verstoß gegen die eingegangene Verpflichtung eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR geahndet werden kann! Der Auftragnehmer sollte daher unbedingt darauf achten, dass er die Zahlung des Mindestlohns zu jedem Zeitpunkt einhält.

3. Verpflichtung durch Nachunternehmer und Verleiher

Da sich Auftragnehmer häufig Nachunternehmers oder eines Verleihers von Arbeitskräften bedienen, möchte das TVgG – NRW sicherstellen, dass die Ziele des TVgG – NRW nicht durch Übertragung der Pflichten auf Nachunternehmen bzw. Inanspruchnahme von Verleihern umgangen werden.

Aus diesem Grunde haben sich die Bieter bei Angebotsabgabe ebenfalls zu verpflichten, die oben beschriebenen Verpflichtungserklärungen ihrerseits von ihren Nachunternehmern bzw. Verleihern einzufordern etc., so dass eine ununterbrochene Kette von Verpflichtungserklärungen vom Bieter selbst zu seinen Nach-, Nach- und Nachunternehmern etc. gewährleistet ist.

Der Bieter ist verpflichtet, sämtliche, d.h. eigene und fremde, Verpflichtungserklärungen dem Auftraggeber vorzulegen.

Bei Verträgen mit einer Laufzeit von über drei Jahren, haben Bieter (dann Auftragnehmer) außerdem gegenüber dem Auftraggeber zu erklären, dass die Bedingungen an die Tariftreue weiterhin bei den Nachunternehmern bestehen.

Die Verantwortung des Auftragnehmers für seine Nachunternehmer ist groß. So ist der Auftragnehmer auch dann zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, wenn der Nachunternehmer oder dessen Nachunternehmer etc. gegen die Tariftreuepflicht verstoßen hat. Der Auftragnehmer haftet jedoch nicht, wenn er beweisen kann, dass er den Verstoß bei Beauftragung des Nachunternehmers nicht kannte und auch nicht kennen musste, § 12 TVgG – NRW. Außerdem droht dem Auftragnehmer auch eine dreijährige Sperre, wenn sein Nachunternehmer gegen die Verpflichtungserklärung verstößt.

4. Kontrollbefugnisse der Prüfbehörde

Das TVgG – NRW sieht erhebliche Kontrollbefugnisse vor. So kann die Prüfbehörde Dokumente einsehen und Interviews mit den Arbeitskräften führen o.Ä., und zwar nicht nur beim Auftragnehmer, sondern bei sämtlichen Nachunternehmern und Verleihern, vgl. § 15 Abs. 5 TVgG – NRW.

III. Umweltgesichtspunkte

Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen Kriterien des Umweltschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen. Neben den voraussichtlichen Anschaffungskosten sind dabei unter Berücksichtigung des sog. Lebenszyklusprinzips insbesondere auch die voraussichtlichen Betriebskosten über die Nutzungsdauer – vor allem die Kosten für den Energieverbrauch -, sowie die Entsorgungskosten zu berücksichtigen, § 17 Abs. 1 und 2 TVgG – NRW.

Im Leistungsverzeichnis oder in der Bekanntmachung sollen Leistungs- oder Funktionsanforderungen hinsichtlich des Umweltschutzes und der Energieeffizienz ausdrücklich genannt werden, § 17 Abs. 3 TVgG – NRW.

Im Rahmen der Eignungsprüfung soll der öffentliche Auftraggeber von den Bietern und Bewerbern zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit in geeigneten Fällen verlangen, dass das zu beauftragende Unternehmen bestimmte Normen für das Umweltmanagement erfüllt, § 17 Abs. 6 TVgG – NRW.

Schließlich sollen bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots auch Kriterien des Umweltschutzes und der Energieeffizienz berücksichtigt werden, § 17 Abs. 7 TVgG – NRW.

IV. Sozialgesichtspunkte

Aufträge über Lieferleistungen sollen nur an solche Auftragnehmer vergeben werden, die sich bei Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, den Auftrag gemäß den in der Leistungsbeschreibung bekanntgegebenen besonderen Auftragsausführungsbedingungen ausschließlich mit Waren auszuführen, welche nachweislich oder gemäß einer entsprechenden Zusicherung unter Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gewonnen oder hergestellt worden sind, § 18 Abs. 2 TVgG – NRW.

Ein schuldhafter Verstoß gegen diese Pflicht beim Auftragnehmer oder einem seiner Nachunternehmer ist wiederum sanktioniert.

Auf die Vorlage der Nachweise oder Erklärungen kann allerdings verzichtet werden, sofern die Bieter diese trotz Beachtung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns nach § 347 HGB nicht oder nicht fristgerecht erbringen können.

Die Praxistauglichkeit der gesamten Regelung muss sich erst zeigen. So verzeichnet allein Apple 156 unterschiedliche Zulieferer aus dem asiatischen Raum.

V. Frauenförderung

Die Regelung zur Frauenförderung ist in § 19 TVgG – NRW enthalten. Dessen Absatz 1 Satz 1 und 2 lautet

„(1) Öffentliche Aufträge sollen nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe in einer Erklärung schriftlich verpflichten, bei der Ausführung des Auftrags Maßnahmen zur Frauenförderung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im eigenen Unternehmen durchzuführen oder einzuleiten, sowie das geltende Gleichbehandlungsrecht zu beachten. Satz 1 gilt nur

1. für Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten, ausschließlich der zu ihrer Ausbildung Beschäftigten, und

2. für Aufträge über Leistungen ab einem geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer von 50 000 Euro und für Aufträge über Bauleistungen ab einem geschätzten Auftragswert ohne Umsatzsteuer von 150 000 Euro.“

Wie diese Maßnahmen zur Frauenförderung genau auszusehen haben ist dem TVgG – NRW freilich nicht zu entnehmen.

Deutsches Vergabenetzwerk

VI. Zusammenfassung und Praxishinweis

Mit dem TVgG – NRW hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber eine beachtlich umfassende Regelung zur Berücksichtigung von Tariflöhnen, Mindestlohn, Umwelt- und Sozialgesichtspunkten, sowie der Frauenförderung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht. Ob und inwieweit das TVgG – NRW gegen höherrangiges Recht verstößt wird hier nicht thematisiert. Ein paar Regelungen erscheinen mir spontan aber nicht unbedenklich und könnten möglicherweise auf den (gerichtlichen) Prüfstand kommen.

Das politisch motivierte Gesetz führt zu weiteren Regelungen und Formblättern in die Vergabelandschaft, welche der öffentliche Auftraggeber zu beachten hat.

Für die Bieter gilt: Ein Bieter sollte sich umso mehr Gedanken machen, mit welchen Nachunternehmern er künftig zusammenarbeiten will. Denn im schlimmsten Fall drohen dem Auftragnehmer für Verstöße des Nachunternehmers erhebliche Nachteile (Vertragsstrafe, Vertragskündigung und Eintragung in das Vergaberegister mit einer verbundenen dreijährigen Sperre)! Bietern ist daher dringend zu empfehlen, gegenüber ihren Nachunternehmern sämtliche Pflichten aus dem TVgG – NRW vertraglich „durchzureichen“.

Ortner_RodericDer Autor Dr. Roderic Ortner ist Rechtsanwalt der Sozietät BHO Legal, Köln, München. Er ist spezialisiert auf nationales und europäisches Kartell- und Vergaberecht, hier insbesondere auf Vergabeverfahren und Vertragsgestaltung für Forschungsprojekte der Sicherheits-, Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie. Mehr Informationen zum Autor finden Sie im Autorenverzeichnis.

dvnwlogoThema im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) diskutieren.

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Die Eignungsprüfung (Teil 1)

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ParagraphDie Prüfung der Eignung des Bewerbers/Bieters stellt Auftraggeber häufig vor größere Herausforderungen. Zunächst müssen sie sich genau überlegen, welche Nachweise und Erklärungen die Bewerber/Bieter vorzulegen haben, um sicherzugehen, dass der Auftrag ordnungsgemäß erfüllt wird. Bei der Angebotsprüfung stellt der Auftraggeber plötzlich fest, dass die abgefragten Referenzprojekte nicht wie gewünscht beschrieben wurden: Der Bieter hat sich mit einem Zweizeiler begnügt. Der Bieter ist in der Branche bekannt und gehört zu einem erfolgreichen Unternehmen am Markt. Darf der Auftraggeber nun trotzdem eine Vervollständigung der Referenz nachfordern? Und was ist, wenn er schlechte Erfahrung mit dem Bieter hatte? Darf er diese bei der Eignungsprüfung berücksichtigen? Und wie war das noch mal mit dem Grundsatz „kein Mehr an Eignung?“ Unser langjähriger Autor, Herr Rechtsanwalt Dr. Roderic Ortner, befasst sich in der neuen zweiteiligen Serie mit all diesen Fragen.

Was bedeutet Eignung?

Der Zuschlag darf nur an ein Unternehmen erteilt werden, dessen Eignung der Auftraggeber bejaht hat (Art. 44 Abs. 1 VKR, § 97 Abs. 4 GWB, § 16 Abs. 2 Nr. 1 VOB/A, § 19 Abs. 5 VOL/A). Eignung ist dabei die Fachkunde, die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit des Unternehmens. Bei der Eignung handelt es sich um ein subjektives Kriterium. Daraus folgt, dass der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung treffen muss, ob das Unternehmen Gewähr dafür bietet, den Auftrag ordnungsgemäß zu erfüllen. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung. Da der Auftraggeber nicht in den Kopf des Unternehmens hineinschauen kann und er sich nicht allein auf sein Bauchgefühl verlassen sollte, ist die Prognoseentscheidung auf Grundlage objektiver Informationen zu treffen. Dabei handelt es sich um Erklärungen und Nachweise, die das Unternehmen vorlegt und die auf dessen Eignung schließen lassen sollen. Die Abschnitte 1 der VOL/A und VOB/A geben keine Hinweise, welche Erklärungen und Nachweise zur Prüfung der Eignung in Betracht kommen. Der Gesetzgeber räumt hier also dem Auftraggeber einen weiteren Beurteilungsspielraum ein. Im Oberschwellenbereich finden sich dagegen Hinweise, welche Nachweise und Erklärungen in Frage kommen. Dem Auftraggeber ist also zu empfehlen, sich auch bei Unterschwellenausschreibungen durch den Oberschwellenbereich inspirieren zu lassen (siehe etwa § 7 EG Abs. 2-3 VOL/A). Typische eingeforderte Unterlagen zum Nachweis der Eignung sind etwa Umsatzzahlen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre, Referenzen und eine sog. Eigenerklärung zur Zuverlässigkeit. Achtung: Anders als bei nationalen Vergaben ist im Oberschwellenbereich die Aufzählung der möglicherweise einzufordernden Eignungsnachweise zu Überprüfung der technischen und /oder beruflichen Leistungsfähigkeit abschließend, vgl. in Art. 48 VKR und § 7 EG Abs. 3 VOL/A sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofs C-213/07 – Michaniki und C-538/07 – Assitur).

Im Bereich der VOB hat sich außerdem die Präqualifizierung etabliert. Der Nachweis der Eignung danach kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen (etwa § 6 Abs. 3 VOB/A). Der Vorteil für Unternehmen ist, dass sie sich nur einmal jährlich präqualifizieren müssen. Falls es dem Auftraggeber besonders auf bestimmte technische Erfahrungen ankommt, sollte er diese jedoch vorsichtshalber gesondert abfragen. Auch die VOL sieht die Präqualifizierung vor, welche sich aber weit weniger etabliert hat. Grund hierfür mag sein, dass in der VOL der Grundsatz der Eigenerklärung vorherrscht (siehe unten).

Eignungskriterien gehören in die Bekanntmachung

Traditioneller Weise verwendet das deutsche Vergaberecht den Begriff der „Fachkunde“. Im EU-Jargon ist damit die berufliche Leistungsfähigkeit gemeint. Bei Vergabeverfahren, bei denen eine Bekanntmachung vorgesehen ist, sind die zur Überprüfung der Eignung abgefragten Unterlagen zwingend in der Bekanntmachung festzulegen. Grund hierfür ist, dass interessierte Unternehmen mit einem Blick erkennen können sollen, ob der Auftrag in ihr Portfolio fallen könnte und sie sich um eine weitere Bewerbung bemühen sollten. In der EU-Bekanntmachung sind die Eignungskriterien unter Ziffer III zu benennen. Eine Benennung nur in den Vergabeunterlagen reicht daher nicht aus, ebenso wenig ein Verweis in der Bekanntmachung („siehe Vergabeunterlagen“). Allenfalls ist eine spätere Konkretisierung möglich, wobei der Auftraggeber sich dann häufig in das gefährliche Fahrwasser der Abgrenzung begibt: Wo hört die Konkretisierung auf und wo beginnt ein neues Kriterium? Unterlässt der Auftraggeber die Benennung in der Bekanntmachung, läuft er Gefahr, dass der Nachweis dann nicht mehr zulässigerweise nachgefordert werden darf (vgl. Rechtsprechung).

Es ist dem Auftraggeber zu empfehlen, auch im Unterschwellenbereich, sich an den Wortlaut des Gesetzes zu halten, wenn er die Erklärungen und Nachweise einfordert, z. B. „Vorlage von Studiennachweisen und Bescheinigungen über die berufliche Befähigung der verantwortlichen Person.“, vgl. § 7 EG Abs. 3 g) VOL/A.

Eignung und vergaberechtliche Prinzipien

Bei der Festlegung der Eignungskriterien steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu

Gemäß § 7 EG Abs. 3 Satz 1 VOL/A dürfen von den Unternehmen

„zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) nur Unterlagen und Angaben gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind.“

§ 7 EG Abs. 3 Satz 1 VOL/A ist damit eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Ähnliche Vorschriften finden sich in der VOB, VOF, SektVO und VSVgV. Bei der Festlegung der Eignungskriterien sind auch die in § 97 Abs. 1 GWB und Abs. 2 GWB verankerten Grundsätze Wettbewerb und Nichtdiskriminierung zu berücksichtigen, die normhierarchisch über den Vergabeverordnungen stehen. Gemäß § 97 Abs. 3 GWB sind mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „vornehmlich“ zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung mittelständischer Interessen beschränkt sich dabei nicht nur auf die reine Losaufteilung, sondern ist z. B. – und gerade – auch bei der Festlegung der Eignungskriterien zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass der Auftraggeber seinen Beurteilungsspielraum verlässt, wenn er die Eignungskriterien auf Grundlage sachfremder Erwägungen stützt oder gegen einen der in § 97 Abs. 1 bis 3 GWB verankerten vergaberechtlichen Grundsätze oder den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.

Prüfung der Eignung

Die Prüfung der Eignung erfolgt in der Regel zweistufig: Auf der ersten wird die formale Vollständigkeit der Erklärungen und Nachweise geprüft und auf der zweiten Stufe die inhaltliche Prüfung, also die materiell-rechtliche, vorgenommen. Die Eignungsprüfung ist stets eine Gesamtprüfung; der Auftraggeber hat hier einen Beurteilungsspielraum (siehe oben). Ist er davon überzeugt, dass das Unternehmen nicht geeignet ist, so muss er das Unternehmen ausschließen, Ermessen steht ihm hier nicht zu.Deutsches VergabenetzwerkGrundsatz der Eigenerklärung in der VOL

Die sog. Eigenerklärung zur Zuverlässigkeit ist in der Regel ein Formblatt, das die Regelungen in § 6 Abs. 5 VOL/A bzw. XY VOB/A abbildet. Danach kann ein Bewerber/Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn etwa ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Zu beachten ist, dass der Ausschluss nicht zwingend ist, sondern dem Auftraggeber hier ein Ermessen zusteht, da das Vergaberecht andernfalls das Insolvenzrecht, das in erster Linie den Erhalt des Unternehmens anstrebt, untergraben würde. Während VOL und VOB im Oberschwellenbereich einen Ausschluss vorsieht, wenn der Geschäftsführer wegen eines der in der VOL oder VOB genannten Delikte rechtskräftig verurteilt worden ist, etwa wegen Betruges nach § 263 StGB (siehe § 6 EG Abs. 4 VOL/A bzw. VOB/A), fehlt eine solche Regelung im Unterschwellenbereich. Einzige Anknüpfung dort ist § 7 Abs. 5 c VOL/A, wonach der Auftraggeber einen Bewerber/Bieter ausschließen kann, wenn dieser nachweislich schwere Verfehlung begangen hat. Abermals erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll, die Regelung im Oberschwellenbereich an dieser Stelle fruchtbar zu machen.

Bei der Festlegung der Eignungsnachweise hat der Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Er darf freilich nur solche Eignungsnachweise verlangen, die im Verhältnis zum Auftragsgegenstand gerechtfertigt sind, d. h. auch hier gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Schreibt der Auftraggeber etwa eine Baumaßnahme für zwei Garagen für einen geschätzten Auftragswert von 300.000 EUR aus und verlangt einen Mindestumsatz von 5 Mio. EUR im Jahr, so wäre dies unverhältnismäßig. Nach der neuen Vergabe-RL darf der verlangte Mindestumsatz übrigens grundsätzlich höchstens doppelt so hoch sein wie der Auftragswert (die Kommission verlangte in ihrem Entwurf noch den dreifachen Wert, vgl. Art. 56 VR-Entwurf). Diese neue Regelung resultiert aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Bei Ausschreibungen nach VOL/A und VOF sind grundsätzlich Eigenerklärungen zu verlangen. Eigenerklärungen sind solche, die aus der Sphäre des Bieters stammen. Die Forderung von anderen Nachweisen (also von dritter Stelle = Fremd- bzw. Dritterklärungen) ist nur ausnahmsweise zulässig, etwa in sicherheitsrelevanten Bereichen. Beispiele für Dritterklärungen sind: Bankauskunft, Bescheinigung einer Versicherung, Bescheinigung des zuständigen Finanzamts, Bescheinigung einer Zertifizierungsstelle. Ob ein Auszug aus dem Bundeszentralregister, Gewerbezentralregister oder Handelsregister weiterhin möglich ist, ist unklar. Für die Möglichkeit spricht deren gesonderte Regelung in § 7 EG Abs. 7 und 8 VOL/A. Eine Eigenerklärung könnte etwa lauten: „Hiermit erkläre ich/wir, dass ich/wir beim Finanzamt xyz die jeweils erhobenen Abgaben und Steuern stets ordnungsgemäß geleistet habe.“ Bei Ausschreibungen nach VOB gilt der Grundsatz der Eigenerklärung nicht, dort liegt es im Ermessen des Auftraggebers, ob und inwieweit er Eigenerklärungen genügen lässt. Lässt der Auftraggeber Eigenerklärungen nach VOB zu, so kann er von denjenigen Bewerbern/Bietern, die in die engere Wahl gelangt sind, die (Dritt-) Nachweise verlangen, § 6 Abs. 3 VOB. Eine solche Regelung fehlt in der VOL. Gleichwohl behält sich der Auftraggeber auch bei VOL-Verfahren häufig vor, noch vor Bezuschlagung Dritterklärungen einzufordern. Dies scheint mir jedoch nur zulässig zu sein, wenn begründete Zweifel an der Eignung bestehen; denn im Gegensatz zur VOB schweigt die VOL zu einer solchen Möglichkeit.

Im darauffolgenden zweiten Teil des Beitrags befasst sich der Autor mit der praxisrelevanten und umstrittenen Frage, ob und inwieweit fehlende Nachweise nachgefordert werden dürfen oder müssen.

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Die Eignungsprüfung (Teil 2)

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ParagraphIm ersten Teil dieses Beitrags hat unser Autor die Grundlagen der Eignung dargestellt. In diesem zweiten Teil der Serie befasst er sich mit der praxisrelevanten und umstrittenen Frage, ob und inwieweit fehlende Nachweise nachgefordert werden dürfen oder müssen. Weiterhin berichtet Rechtsanwalt Ortner von der Rechtsprechung, nach der die schlechte Erfahrung mit einem Bieter vom Auftraggeber bei der Angebotswertung berücksichtigt werden darf. Die neue Vergabeverordnung ermöglicht, Erfahrungen auf Zuschlagsebene zu prüfen, Anlass genug für eine kritische Stellungnahme.

Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen

Ein Bieter, der in der Eile des Gefechts einmal eine Unterlage vergisst, war nach alter Rechtslage zwingend auszuschließen. Gesetzgeberischer Gedanke dabei war, dass jede Nachforderungsmöglichkeit diejenigen Bieter, die sämtliche Unterlagen pünktlich und vollständig eingereicht haben, diskriminieren würde. Andererseits führten Flüchtigkeitsfehler dann dazu, dass wegen der zwingenden Ausschlüsse nur noch wenige oder mal auch gar kein Angebot übrig blieb, was wiederum dem Wettbewerbsgrundsatz entgegensteht. In der VOB ist daher nunmehr vorgesehen, dass der Auftraggeber Erklärungen oder Nachweise, die fehlen, nachfordern muss. Diese sind dann spätestens 6 Kalendertage nach Aufforderung nachzureichen, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A. Jedenfalls nach Auffassung des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 07.11.2012 – Verg 12/12 gilt die Nachforderungspflicht auch bei der VOF. In der VOL/A ist die Regelung anders. Dort können, müssen aber nicht, fehlende Erklärungen und Nachweise innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt werden. In der Praxis ist eine Frist von drei Arbeitstagen häufig anzutreffen und in aller Regel auch zulässig, wohingegen eine Nachfrist von mehr als 6 Kalendertagen auch bei der VOL/A in aller Regel unzulässig sein dürfte. Ebenfalls unzulässig dürfte sein, wenn der Auftraggeber von Anfang an in seine Vergabeunterlagen hineinschreibt, dass er keine Unterlagen nachfordern werde. Eine solche Regelung stellt in Anlehnung an das Verwaltungsrecht ein unzulässiges Ermessensnichtgebrauch dar. Denn wenn dem Auftraggeber vom Gesetz Ermessen eingeräumt wird, muss er dieses auch auf Grundlage eines Sachverhalts im Einzelfall ausüben und darf nicht von Anfang an („antizipiert“) auf die Ermessensausübung verzichten. In der Rechtsprechung ist diese Frage allerdings noch nicht entschieden. Eine Nachforderungspflicht dürfte auch bei VOL gegeben sein, wenn der Auftraggeber ohne Nachforderung keinen Wettbewerb mehr hätte. Ob er dann noch zwei oder drei Angebote zur Prüfung übrig haben sollte, darüber kann man wieder trefflich streiten.

Die Nachforderungspflicht (VOB) bzw. die Nachforderungsmöglichkeit (VOL) kommt jedoch wohl nur dann zum Tragen, wenn es sich um reine Formalfehler handelt. Durch die Nachforderung darf der Bieter das Angebot mithin nicht „nachbessern“ oder verändern, da andernfalls die Manipulationsgefahr zu hoch wäre und durch die Hintertür Verhandlungen geführt würden (vgl. hierzu OLG München, Beschluss vom 15.03.2012 – Verg 2/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.09.2012 – VII-Verg 108/11 und VK Bund, Beschluss vom 14.12.2011 – VK 1-153/11).

VK Bund vom 14.12.2011 – VK 1-153/11:

„Wollte man es in einem solchen Fall dem betreffenden Bieter ermöglichen, „bessere“ Referenzen nachzureichen, käme dies einer inhaltlichen Nachbesserung seiner mit dem Angebot eingereichten Unterlagen gleich. Dies ist wie oben aufgezeigt vom Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 VOL/A-EG nicht gedeckt, der ausschließlich die formale Vollständigkeit der geforderten Belege betrifft. Demgegenüber ist die inhaltliche Bewertung der vorgelegten Unterlagen – soweit es wie hier um Eignungsnachweise geht – eine Frage der materiellen Eignungsprüfung (…). Auch § 7 Abs. 13 VOL/A-EG spricht nur von einer „Vervollständigung“ oder „Erläuterung“ der vorgelegten Eignungsnachweise, jedoch nicht davon, nachträglich eine inhaltliche Verbesserung der Belege zuzulassen.“

Das bedeutet, dass etwa eine fehlende Eigenerklärung zur Unzuverlässigkeit nachgefordert werden darf. Das gilt auch, sollte diese zwar eingereicht worden sein, aber die Unterschrift fehlen. Nicht nachgefordert werden dürfen indessen weitere Referenzen oder eine Nachbesserung bereits eingereichter Referenzen. Das gleiche gilt etwa auch für Umsatzzahlen.

Die Abgrenzung ist nicht immer leicht. So ist noch zu klären, ob der Fall, dass der Bieter die geforderte Unterlage gar nicht einreicht und der Fall, dass er zwar die Unterlage einreicht, diese aber unvollständig ist, gleich zu behandeln ist, also in beiden Fällen eine Nachreichung nicht möglich sein soll. Die VK Bund scheint hier zu differenzieren. Dem Verfahren lag zwar die VSVgV zu Grunde, die Überlegungen sind aber auf die VOL/A übertragbar.

VK Bund vom 21.08.2013 – VK 1-67/13:

„Eine [unzulässige, Anmk. Des Autors] Nachbesserung läge nur dann vor, wenn die ASt inhaltlich unzutreffende Angaben zu ihrer Eignung nachträglich korrigiert hätte. Davon zu unterscheiden ist jedoch der Fall, in dem eine geforderte Eignungsunterlage „nicht vorgelegt“ wurde i.S.d. § 22 Abs. 6 VSVgV (…).“

Deutsches VergabenetzwerkSchlechte Erfahrung mit einem Bieter

Der Auftraggeber darf – oder muss sogar – bei der Prüfung der Eignung auch die schlechte Erfahrung berücksichtigen, die er mit dem Bieter bereits an anderer vergleichbarer (Bau-) Stelle hatte (vgl. etwa OLG Düsseldorf, vom 25.07.2012 – VII-Verg 27/12; OLG München Beschluss vom 05.10.2012 – Verg 15/12). Er ist vor allem nicht verpflichtet, einen parallel laufenden Rechtsstreit abzuwarten, da dies den Beschleunigungsgrundsatz des Vergaberechts unterliefe.

So vor allem das OLG München, Beschluss vom 05.10.2012 – Verg 15/12:

„Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Vergabestelle ihrer Einschätzung ausschließlich Aspekte zugrunde legen darf, die der Bieter, dessen Ausschluss in Frage steht, vorbehaltlos zugesteht oder die sie im Nachprüfungsverfahren zur Überzeugung des Gerichts beweisen kann. So hat beispielsweise auch das Kammergericht Berlin Informationen für verwertbar gehalten, wenn die von der Vergabestelle eingeholte Referenz auf seriöse Quellen zurückgeht und keine bloßen Gerüchte wiedergibt und eine gewisse Erhärtung des Verdachts der Ungeeignetheit zulässt (KG Berlin vom 27.11.2008, 2 Verg 4/08 m.w.N.). Als ungenügend erachtet die Rechtsprechung dagegen ungeprüfte Gerüchte über das Geschäftsgebaren eines Bieters und selbst nicht verifizierte Warnungen vor deren Geschäftsgebaren (…). Der AG darf bei der Prüfung der Eignung Erfahrungen mit einbeziehen, die er selbst mit einem bestimmten Bieter in der Vergangenheit gemacht hat.“

Möchte die Vergabestelle einen Bieter wegen schlechter Erfahrung ausschließen, wird sie schlüssig darzulegen haben, welche Gründe gegen die Eignung des Bieters sprechen. Dann wird es wichtig sein, dass der Auftraggeber während der Vertragsbeziehung mit dem jetzigen Bieter sämtliche Pflichtverletzungen sorgfältig dokumentiert hat (Inhalt, genaues Datum, beteiligte Personen). Nicht ausreichend wäre der (diffuse) Hinweis: „Mit diesem Bieter ist immer alles schief gelaufen, der war doch immer unzuverlässig und unpünktlich und hat ganz schlechte Arbeit geleistet.“

Abgrenzung Eignungskriterien zu Zuschlagskriterien

Die Eignung darf im Rahmen von Zuschlagskriterien grundsätzlich nicht mehr abgefragt werden; es gilt der Grundsatz „kein Mehr an Eignung“ oder auch „Vermengungsverbot“, vgl. etwa EuGH, RS C-532/06, „Lianakis“ und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.01.2009 – Verg 59/08, „Machbarkeit der Leistung“.

In der Praxis gab es jedoch schon lange den Bedarf, die persönlichen Fähigkeiten und Erfahrungen des Dienstleisters, der konkret für die Leistung eingesetzt werden soll, neben dem Preis zu berücksichtigen, wenn die Fähigkeiten und Erfahrung die Qualität der Leistung verbessern würden. Dies war jedoch nicht möglich, so dass sich die Praxis damit behalf, die Fähigkeiten und Erfahrungen auf Eignungseben zu prüfen und sehr häufig auch zu bepunkten. Ein solches Bepunktungssystem auf Eignungsebene machte aber nur Sinn, wenn ein Teilnahmewettbewerb vorgeschaltet war; im offenen Verfahren ist ein solches Bepunktungssystem unzulässig, da dann wieder der Grundsatz „kein Mehr an Eignung“ verletzt wird.

Die neue Vergaberichtlinie hat nun dieses Dilemma gelöst und erlaubt explizit unter bestimmten Umständen, die Erfahrung und Fähigkeiten auf Zuschlagsebene zu prüfen.Deutsches VergabenetzwerkDie neue Vergabeverordnung (VgV) nimmt diese Möglichkeit nun teilweise vorweg. Teilweise, da sie diese auf B-Dienstleistungen beschränkt (obwohl der EU-Gesetzgeber gerade diese nicht mehr in der neuen Richtlinie vorsieht) und maximal bis 25% Gewichtung erlaubt.

In der VgV heißt es nunmehr so, § 4 Abs. 2 Satz 2:

„Wenn im Fall des Satzes 1 Nummer 2 tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Organisation, die Qualifikation und die Erfahrung des bei der Durchführung des betreffenden Auftrags eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf die Qualität der Auftragsausführung haben können, können diese Kriterien bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots berücksichtigt werden. Bei der Bewertung dieser Kriterien können insbesondere der Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen berücksichtigt werden. Die Gewichtung der Organisation, der Qualifikation und der Erfahrung des mit der Durchführung des betreffenden Auftrags betrauten Personals soll zusammen 25 Prozent der Gewichtung aller Zuschlagskriterien nicht überschreiten.“

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Grundsatz „kein Mehr an Eignung“ nicht mehr gilt. Es geht hier nicht um eine „Hochzonung“ der Eignungskriterien oder um eine Ausnahme vom Vermengungsverbot. Die personelle Fähigkeit des Unternehmens kann und sollte weiterhin auf Eignungsebene „unternehmensbezogen“ – und damit abstrakt – geprüft werden. Hierzu kann sich der Auftraggeber auch bereits Lebensläufe o.ä. vorlegen lassen. Auf der Zuschlagsebene sind dann die Personen, die konkret für die Leistung eingesetzt werden sollen, zu prüfen und zu bewerten (bepunkten). Ein schönes Beispiel stellt die oft übersehene Entscheidung des EuG vom 17.10.2010, T-447/10 dar, obwohl diese nicht zu der Vergaberichtlinie, sondern zu der Financial Regulation der EU erging. Gleichwohl gilt auch dort der Grundsatz „Kein Mehr an Eignung“ und der EuG befasste sich mit der Abgrenzung zur Lianakis-Entscheidung des EuGH (liegt nicht auf Deutsch vor):

„The examination of the curricula vitae of the members of the proposed team that the Court of Justice carried out in the context of the award phase is provided for in point 5.4.1.1 of the tendering specifications. Under this point, one of the criteria examined in the context of the award phase is the skill, experience, organisation and training of the proposed team within the area covered by the respective lots. It is apparent from this point that the Court of Justice examined that criterion using in particular the 34 curricula vitae submitted. The analysis of the curricula vitae in this situation was different from the analysis which the Court of Justice had carried out in the context of the selection phase, since it did not merely examine whether the curricula vitae displayed the minimum characteristics required, but sought to evaluate the technical quality of the proposed team.“

Der große Nachteil an der neuen Regelung in der VgV ist meines Erachtens, dass diese sich auf B-Dienstleistungen beschränkt. Die in der Praxis so relevanten Leistungen von Architekten, Ingenieuren, IT-Beratern oder Wirtschaftsberatern, wo es besonders auf die persönliche Erfahrung ankommt, sind aber A-Dienstleistungen und fallen somit nicht unter die neue Regelung. Im Gegenteil erscheint es vor dem Hintergrund der Neuregelung seit dem 01.01.2014 schwerlich vertretbar, die vorgenannten Personalia auf Zuschlagsebene prüfen zu dürfen; vormals wäre dies mit der aktuellen Rechtsprechungsentwicklung noch gut vertretbar gewesen.

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Wo und wann sind Eignungsanforderungen festzulegen? Oder von der Sinnhaftigkeit der EU-Bekanntmachung (OLG Celle, Beschl. v. 24.04.2014 – 13 Verg 2/14)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungIn wirtschaftlich starken Zeiten nimmt das Interesse von Unternehmen, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, ab. Der Wettbewerbsgrundsatz im Vergaberecht bleibt dann auf der Strecke. Fragt man in die Runde, sind die Verlautbarungen ähnlich: Der Kosten-Nutzen-Aufwand lohne sich nicht, die Anforderungen seien häufig überzogen und benachteiligten den Mittelstand, häufig wisse man auch nicht, ob nicht bereits ein Unternehmen vorausgewählt sei, da bewerbe man sich doch lieber bei privaten Unternehmen. Unser Autor Dr. Roderic Ortner ist der Auffassung, dass Entscheidungen wie die nun vorliegende des OLG Celle diesem Trend Vorschub leisten.

Anhang XIII C. Nr. 13 der Richtlinie 2004/17/EG, § 16 SektVO, § 20 SektVO, § 7 EG Abs. 5 Satz 1 VOL/A, § 19 EG Abs. 8 VOL/A

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb EU-weit Dienstleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. In der Wettbewerbsphase (auch Teilnahmephase genannt) wird allein die Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit (Eignung) der Unternehmen geprüft. Die Eignungsanforderungen hat der Auftraggeber in der EU-Bekanntmachung unter Ziffer III.2 festgelegt. Unter anderem fordert er Referenzen gemäß beiliegendem Referenzschreiben. Ein Bewerber verwendete allerdings nicht das beiliegende Referenzschreiben, sondern reichte Referenzen im eigenen Format ab, das von dem beiliegenden Referenzschreiben abwich. In den Unterlagen zum Teilnahmeantrag, die die Bewerber separat per E-Mail anfordern konnten, befand sich folgender Hinweis: Eine Referenz nach Buchst. (a) – (c) wird nur gewertet, wenn die geforderten Angaben vollumfänglich erfolgen und wenn sie durch dasjenige Unternehmen, das Auftraggeber in dem als Referenz angeführten Projekt war, mit beigefügtem Formblatt Bestätigung einer Referenz durch den Auftraggeber bestätigt wird. (). Den Unterlagen lag sodann das (vermeintlich zwingend) zu verwendende Formblatt bei. Da der Bewerber dieses Formblatt nicht verwendete und dadurch Angaben fehlten, wurde er ausgeschlossen. Gegen seinen Ausschluss wendet er ein, dass sich weder das Formblatt noch die darin enthaltenen Anforderungen aus der EU-Bekanntmachung ergäben, sondern erst aus den separat abzufordernden Unterlagen. Außerdem lag den Unterlagen zum Teilnahmeantrag eine fünfseitige Tabelle Auswertung der Anträge auf Teilnahme am Wettbewerb gemäß Bekanntmachung der Vergabeabsicht bei, die eine Bewertungsmatrix enthielt. Auch dies sei nicht aus der EU-Bekanntmachung ersichtlich, so dass der Ausschluss unzulässig gewesen sei.

Die Entscheidung

Das OLG Celle erachtete den Ausschluss für zulässig. Richtigerweise übernimmt das OLG Celle zunächst die Diktion der ständigen Rechtsprechung anderer Senate:

Maßgeblich für die Frage, welche Eignungsnachweise in welcher Form vorzulegen sind, ist grundsätzlich die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens. Der Auftraggeber hat bereits in der Vergabebekanntmachung anzugeben, welche Nachweise zur Beurteilung der Eignung von Bietern vorzulegen sind. Diese müssen im Einzelnen aufgeführt werden, damit sich die Bieter darauf einstellen und sich rechtzeitig die entsprechenden Nachweise beschaffen können. Die Angaben der Bekanntmachung zu den mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweisen müssen zudem klar und widerspruchsfrei sein. Unklarheiten und Widersprüche gehen zu Lasten des Auftraggebers. Der Auftraggeber ist an seine Festlegung in der Bekanntmachung gebunden und darf in den Verdingungsunterlagen keine Nachforderungen stellen, sondern die in der Bekanntmachung verlangten Eignungsnachweise nur konkretisieren (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. März 2012, Verg 4/12, juris Tz. 2; Beschluss vom 2. Mai 2007 – Verg 1/07, juris Tz. 29; OLG Jena, Beschluss vom 21. September 2009 – 9 Verg 7/09, juris Tz. 39 ff., 44; Dittmann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., § 16 Rn. 187, jeweils m. w. N.).

Dann aber folgt die Überraschung:

Die Vergabebekanntmachung hatte nicht den vollständigen Inhalt des zu verwendenden Formulars wiederzugeben. Für den verständigen Bieter war nach der Vergabebekanntmachung aufgrund des Sachzusammenhangs erkennbar, dass das auszufüllende Formular einzelne Details zu den Referenzaufträgen enthielt. Damit waren der Gegenstand sowie Art und Inhalt des zu verwendenden Formulars für die Zwecke der Vergabebekanntmachung hinreichend klar eingegrenzt. Einer weitergehenden Konkretisierung des Inhalts des Eignungsnachweises bedurfte es nicht. Die einzelnen Fragen durften im Sinne einer zulässigen Konkretisierung in den Ausschreibungsunterlagen angegeben werden.

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Rechtliche Würdigung

Eine Fehlentscheidung. Die Richter verkennen Sinn und Zweck der EU-Bekanntmachung. Aus dieser sollen interessierten Unternehmen auf einen Blick erkennen können, ob der vakante Auftrag in ihr Portfolio passt (Auftragsgegenstand) und ob sich hinsichtlich ihrer Eignung eine Bewerbung und weitere Befassung mit der Ausschreibung lohnt, ob also ein Unternehmen finanzielle und personelle Ressourcen in ein Vergabeprojekt stecken sollte (vgl. Beitrag von Dr. Roderic Ortner, Die Eignungsprüfung (Teil 1)). Die Anforderungen an die Eignung müssen sich daher vollständig aus der Bekanntmachung ergeben, die Unternehmen sollen vor allem nicht genötigt sein, weitere Unterlagen separat per E-Mail abzufordern, um diese auf möglicherweise weitere Anforderungen und Voraussetzungen durchzuarbeiten, um dann eine Entscheidung für oder wider eine Beteiligung treffen zu können. Oder anders gewendet: Die Unternehmen müssen allein auf Grundlage der EU-Bekanntmachung in die Lage versetzt werden, ihre Eignung darlegen und eine formgerechte Bewerbung abgeben zu können. Weitere Unterlagen dürfen allenfalls Konkretisierungen enthalten, keinesfalls aber Verschärfungen oder Erleichterungen. Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich um eine EU-weite Vergabe handelt. Unternehmen aus dem Ausland sind schon häufig gezwungen, die EU-Bekanntmachung in ihre eigene Sprache übersetzen zu lassen, vor dem Hintergrund des Transparenz-, Wettbewerbs- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wäre es zu weitgehend, dass diese nun auch noch die Vergabeunterlagen übersetzen lassen müssten (was dann auch deutlich mehr Zeit beansprucht), um eine erfolgreiche Bewerbung abschätzen zu können. Genau diese Gesichtspunkte hat das OLG Celle verkannt. Hier war es so, dass der EU-Bekanntmachung der Referenzvordruck gerade nicht beilag, denn es ist im SIMAP der EU gar nicht möglich und nicht gewollt dass weitere Unterlagen zum Abruf bereitgestellt werden können. Ohne Studium der weiteren Unterlagen konnte ein Unternehmen gar keinen gültigen Teilnahmeantrag einreichen. Dass das Formular für die Referenz typische zu erwartende Anforderungen enthält, wie das OLG behauptet, trifft schlichtweg nicht zu. Es wundert nicht, dass gleich zwei Bewerber eines ohnehin kleinen Bewerberkreises in die gleiche Falle gelaufen waren. Es wäre für den Auftraggeber ein Leichtes gewesen, die Mindestanforderungen an das Referenzschreiben in die EU-Bekanntmachung zu übernehmen oder zumindest einen Link zu dem Vordruck einzufügen. Veranlassung hierzu sahen die Richter leider nicht. Aus meiner Sicht ein klarer Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz des EU-Rechts. Das Gericht hat sich nicht einmal davon beeindrucken lassen, dass die Bewertungsmatrix hinsichtlich der Eignung ebenfalls nicht in der EU-Bekanntmachung reflektiert war. Es ist verblüffend, dass das Gericht die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 22.04.2010, C-423/07, mehrfach zitiert, dann aber nicht danach handelt. O-Ton EuGH (Rn. 59):

Die Wichtigkeit der Bekanntmachung sowohl bei öffentlichen Bauaufträgen als auch bei öffentlichen Baukonzessionen im Hinblick auf die Unterrichtung der Bieter aus den verschiedenen Mitgliedstaaten unter Bedingungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz Rechnung tragen, wird in Art. 11 Abs. 11 der Richtlinie 93/37 betont, nach dem etwaige Veröffentlichungen von Informationen auf nationaler Ebene nur die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Angaben enthalten dürfen.

Die Richter haben dem EuGH die Frage nicht zur Entscheidung vorgelegt, obwohl hierzu Anlass bestand. Die Richter weichen m.E. schließlich mit ihrer Entscheidung von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und OLG Jena ab (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.11.2012 – Verg 8/12 und vom 12.02.2014 VII-Verg 32/13 sowie OLG Jena, Beschluss vom 16.09.2013 – 9 Verg 3/13) und hätten daher ggf. auch dem Bundesgerichtshof vorlegen müssen.

banner_002Praxistipp

Öffentliche Auftraggeber außerhalb des Einzugsbereichs des OLG Celle ist weiterhin zu empfehlen, möglichst keine weiteren Anforderungen bzgl. der Eignung außerhalb der EU-Bekanntmachung zu stellen, zumal die Abgrenzung der bloßen Konkretisierung zur Änderung schwierig sein kann. Unternehmen ist zu empfehlen: Verlasst Euch nicht auf die in der EU-Bekanntmachung genannten Eignungsanforderungen, prüft, ob es noch Unterlagen außerhalb der EU-Bekanntmachung gibt, aus denen sich wichtige Erkenntnisse für eine erfolgreiche Bewerbung ergeben könnten. Dem Gesetzgeber ist anzuraten, bei der anstehenden Novelle das Vergaberecht einer ökonomischen Analyse des Rechts zu unterziehen. Das Vergaberecht darf nicht bloßer Selbstzweck sein und zu einer Geheimwissenschaft der Eingeweihten führen.

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Rechtsschutz im Unterschwellenbereich – Pflicht zur unverzüglichen Rüge auch hier! (LG Bielefeld, Urt. v. 27.02.2014 – 1 O 23/14)

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Liefer- & DienstleistungenRecht

EntscheidungDer Rechtsschutz im Unterschwellenbereich nimmt zu. Dafür sprechen die zunehmenden Entscheidungen der Landgerichte aus diesem Bereich. Ein unerträglicher Zustand. Der Gesetzgeber hatte damals gar nicht die Absicht, einen solchen Rechtsschutz zuzulassen und hat die Zuständigkeit der Vergabekammern und Vergabesenate auf den Oberschwellenbereich beschränkt. Diese Spruchkörper sind mit der erforderlichen vergaberechtlichen Kompetenz ausgestattet, während die Landgerichte oftmals Neuland betreten müssen. Die Rechtsrealität hat das damalige gesetzgeberische Ansinnen längst überholt, das Ergebnis ist eine Rechtsschutzzersplitterung. Es wird endlich an der Zeit, dass der Gesetzgeber hier tätig wird, spätestens im Rahmen der Umsetzung der neuen Vergabe-Richtlinien.

§ 6 Abs. 3 VOL/A; § 16 VOL/A; § 241 Abs. 2 BGB; § 242 BGB

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb den Umbau und die Lieferung von zwei Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) im Wege der öffentlichen Ausschreibung aus. Zum Nachweis der Eignung sollten die Bieter unter anderem Referenzen von mindestens 10 verschiedenen in der BRD ansässigen und im Rettungsdienst tätigen Auftraggebern benennen, an die der Bieter bereits vergleichbare NEF innerhalb der letzten vier Kalenderjahre geliefert hat.

Bieter „T.“ gab das preislich günstigste Angebot ab und war danach Erstplatziert. Einige der auf der eingereichten Referenzliste benannten Kunden teilten auf Anfrage dem Auftraggeber gegenüber mit, dass Angaben falsch seien und sie mit der Leistung des T. unzufrieden gewesen seien. Nun erfuhr der Auftraggeber außerdem, dass nicht T., sondern das von T. kurz zuvor aus der Insolvenz heraus erworbene Unternehmen gleichen Namens die Leistungen erbracht hatte. Der Auftraggeber schloss T. daraufhin wegen fehlender Eignung aus.

T. wehrte sich hiergegen mit einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Bielefeld. Unter anderem trugt T. vor, dass die geforderten Eignungskriterien („mind. 10 Referenzkunden“) zu weit gingen und vergaberechtlich unzulässig seien. Außerdem habe der Auftraggeber die Eignungsprüfung erst abgeschlossen und sie später erneut vorgenommen, das sei unzulässig.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Das Landgericht Bielefeld bejaht zunächst die Möglichkeit eines Bieters, sich auch im Unterschwellenbereich in einem laufenden Vergabeverfahren zur Wehr setzen zu können. Zuständig hierfür seien die Zivilgerichte. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei aber unbegründet. Der Auftraggeber könne die Eignungsprüfung wiederholen, wenn er Anhaltspunkte hat, dass die zuvor vorgenommene Eignungsprüfung unrichtig war, er kann also „hin und her springen“, solange er die Prüfungsstufen nicht vermengt.

Die Forderung von 10 Referenzen sei angesichts des Auftragsgegenstandes auch nicht unzulässig. „Denn der Umbau eines Transporters in ein NEF ist technisch anspruchsvoll und eine Fehlfunktion des NEF könnte eine Gefahr für den betroffenen Notfallpatienten bedeuten. Die Gesundheit und das Leben dieser Menschen sind jedoch höher zu bewerten, als die wirtschaftlichen Interessen von „Newcomern“. Dabei ist auch nicht davon auszugehen, dass die Verfügungsbeklagte ihre Anforderungen an die Bieter überspannt hat, da lediglich Nachweise von 10 verschiedenen Kunden innerhalb der letzten 4 Jahre verlangt werden.“ Das Angebot des T. war auch wegen falscher Angaben auszuschließen; dass der Auftraggeber Erklärungen zu den Referenzen nicht nachgefordert hat, war nicht ermessensfehlerhaft. Unabhängig davon habe T. den vermeintlichen Vergabefehler nicht rechtzeitig gerügt und ihr Antrag sei auch deshalb zurückzuweisen.

Rechtliche Würdigung

Im Ergebnis ist dem Landgericht zuzustimmen. Im Detail zeigen sich Unsicherheiten und Begründungsfehler.

Das Gericht schreibt in den Beschluss den Bruttoangebotspreis von T. hinein: 150.515,98 EUR, ein doch eher unüblicher Vorgang. Das Gericht spricht auch an einer Stelle von „Leistungsvergabeunterlagen“, statt von Vergabeunterlagen als Oberbegriff und Leistungsbeschreibung als Unterbegriff. Es sind solche Stellen, an denen man merkt, dass die Zivilgerichte noch etwas ungeübt sind, was die Begrifflichkeiten des Vergabeverfahrens anbelangt.

Aber auch in rechtlicher Hinsicht zeigen sich Unsicherheiten. So meint das Landgericht, dass es nicht ermessensfehlerhaft sei, dass der Auftraggeber Erklärungen nicht nachgefordert hat. Richtig ist nach derzeit aktueller Rechtsprechung, dass solche Nachforderungen überhaupt nicht zulässig sind, da diese zu einer Nachbesserung des Angebots führen, auf ein „Ermessen“ kommt es also gar nicht mehr an. Grenzwertig erscheint auch, dass das Gericht es nicht als unverhältnismäßig angesehen hat, dass die Bieter mindestens 10 unterschiedliche Referenzkunden aus der BRD benennen mussten. Es ist zwar richtig, dass dem Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht bei der Festlegung der Eignungskriterien. Es ist auch richtig, dass das Vergaberecht „Newcomer“ nicht gesondert schützt. Allerdings gilt auch im Unterschwellenbereich der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe und dass nur solche Nachweise verlangt werden dürfen, die durch den Gegenstand des Auftrags  „gerechtfertigt“ sind.

Angenommen, ein Bieter hätte in den letzten vier Jahren zwar nicht 10 Referenzkunden beliefert, sondern nur 3, dafür aber in erheblichem Umfang: Weshalb sollte dieser Bieter nun nicht geeignet sein, den Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen? Und noch ein Gedanke: Hier hatte der Auftraggeber die Referenzkunden auf die BRD beschränkt. Dies scheint vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH nicht unproblematisch, nämlich dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Auftrag auch dann EU-weit auszuschreiben ist, wenn sein geschätzter Wert den Schwellenwert nicht erreicht oder überschreitet.

Im Ergebnis ist die Entscheidung aber deshalb richtig, da der Bieter T. die Anforderung „mind. 10 Referenzen“ nicht rechtzeitig gerügt hat. Der Bieter hatte sogar zunächst versucht, die Anforderung (scheinbar mit Tricks) zu erfüllen. Der Sinn und Zweck der Regelung in § 107 GWB für den Oberschwellenbereich ist auch im Unterschwellenbereich fruchtbar zu machen: Ein Bieter, der erst nach Ablauf der Angebotsfrist Fehler in den Vergabeunterlagen rügt, die er hätte erkennen können, ist nicht mehr zu hören. Dies gebietet der Beschleunigungsgrundsatz des Vergabeverfahrens, der auch im Unterschwellenbereich gilt.

Praxistipp

Ein Bieter, der in einem Vergabeverfahren nach VOL/A oder der VOB/A 1. Abschnitt (Unterschwellenbereich) der Auffassung ist, dass die Vergabeunterlagen oder die Vorgehensweise des Auftraggebers fehlerhaft ist, muss diesen Vergabefehler unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, rügen. Dabei ist die Rüge formlos, sollte aber aus Beweissicherungsgründen per Telefax erfolgen. Unverzüglichkeit wird in aller Regel dann zu verneinen sein, wenn der Bieter erst nach Einreichen seines Angebots einen Fehler rügt. Auch im Unterschwellenbereich gilt also, dass ein „Aufsparen der Munition“ nichts bringt.

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Anwendbarkeit der VSVgV bei Reinigungsleistungen

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RechtSicherheit & Verteidigung

Seit 12. Juli 2012 hat uns der Gesetzgeber die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) beschert und ist damit seiner Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG nachgekommen. Eine noch kaum beleuchtete Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Reinigungsleistungen in den Anwendungsbereich der VSVgV fallen.

Die praktische Folge wäre unter anderem, dass die Vergabe der Reinigungsleistungen im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erfolgen dürfte (statt im offenen Verfahren) und dass besondere Anforderungen an den Schutz von Verschlusssachen (VS), die Versorgungssicherheit und Unterauftragsvergabe geknüpft werden können. Unser Autor Dr. Roderic Ortner befasst sich seit etlichen Jahren mit Vergaben im Bereich Verteidigung und Sicherheit und geht in diesem Beitrag der oben gestellten Abgrenzungsfrage nach.

I. Adressat der VSVgV

Die VSVgV ähnelt im Aufbau der VOL/A bzw. der SektVO. Adressat der VSVgV soll nicht nur der militärische Bedarfsträger sein, im Gegenteil. So heißt es im Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2009/81/EG:

„Im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit sollte diese Richtlinie für Beschaffungen gelten, die ähnli­che Merkmale aufweisen wie Beschaffungen im Verteidigungsbereich und ebenso sensibel sind. Dies kann insbesondere in Bereichen der Fall sein, in denen militäri­sche und nicht-militärische Einsatzkräfte bei der Erfüllung derselben Missionen zusammenarbeiten und/oder die Beschaffung dazu dient, die Sicherheit der Union und/oder der Mitgliedstaaten auf ihrem Hoheitsgebiet oder darüber hinaus vor ernsten Bedrohungen durch nicht-militärische und/oder nichtstaatliche Akteure zu schützen. Dies kann beispielsweise den Grenzschutz, polizeiliche Tätigkeiten und Kriseneinsätze einschließen.“

Die Leitlinien der Kommission zum Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/81/EG betont, dass die Richtlinie darüber hinaus auch auf Verträge von Auftraggebern kritischer Infrastrukturen (z.B. Transport oder Energie) anwendbar sein kann.

Ein Beschaffer in einer der o.g. Einrichtungen muss sich daher die Frage stellen, ob er das zu beschaffende Produkt, also die Lieferleistung, oder die zu beschaffende Bau- oder Dienstleistung nach dem klassischen Vergaberecht (VOL/VOB) oder der VSVgV ausschreiben muss. Handelt es sich um eine freiberufliche Dienstleistung, kommt außerdem die VOF als Ausschreibungsregime in Betracht; kurzum: Der öffentliche Beschaffer hat es nicht gerade leicht.

II. Grundvoraussetzungen zur Anwendbarkeit der VSVgV

Die nachstehenden Ausführungen sollen Beschaffern in der oben dargestellten Situation helfen, das „richtige“ Vergaberegime festzustellen. Dabei beschränken sich die Ausführungen aus Platzgründen auf die Beschaffung von Dienstleistungen. Ausgangspunkt jeder Abgrenzung zwischen Dienstleistungen nach VSVgV und VOL/A ist § 1 VSVgV mit der treffenden Überschrift „Anwendungsbereich“. In § 1 VSVgV heißt es, dass die VSVgV für die Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Aufträgen im Sinne des § 99 Abs. 7 GWB gilt, soweit diese Aufträge nicht gemäß § 100 Abs. 3 bis 6 oder § 100c GWB dem Anwendungsbereich des Vergaberechts (insgesamt) entzogen sind. Es sind demnach vier Grundvoraussetzungen zu bejahen:

  1. Es muss sich um einen öffentlichen Auftraggeber nach § 98 GWB handeln.
  2. Es muss sich um einen verteidigungs- und sicherheitsrelevanten Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 7 GWB handeln.
  3. Keine Ausnahme in § 100 Abs. 3 bis 6 und § 100c GWB darf vorliegen.
  4. Außerdem muss der Auftrag den maßgeblichen Schwellenwert, derzeit 414.000 EUR netto, erreichen oder überschreiten.

Dieser Beitrag beleuchtet allein die zweite Voraussetzung. Bei der Prüfung der Nr. 4 sei jedoch kurz daran erinnert, dass die Schätzung nach § 3 VSVgV erfolgt und der gesamte Leistungszeitraum maßgeblich ist (gedeckelt allerdings bei 48 Monaten).

III. Verteidigungs- oder sicherheitsrelevante Aufträge

§ 99 Abs. 7 GWB bestimmt: Verteidigungs- oder sicherheitsrelevante Aufträge sind Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der in den nachfolgenden Nummern 1 bis 4 genannten Leistungen umfasst:

  1. die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 8, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze;
  2. die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags im Sinne des Absatzes 9 vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze;
  3. Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung;
  4. Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags im Sinne des Absatzes 9 vergeben wird.

Zu beachten ist, dass die Nr. 1 und Nr. 2 nur die Lieferung betreffen, während die Nr. 3 sämtliche Leistungsarten umfasst und die Nr. 4 die Bau- und Dienstleistungen. Schwierigkeiten in der Praxis bereiten vor allem die Fälle von Dienstleistungen, die gemäß Nr. 4 im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden. Welche Dienstleistungen fallen darunter?

IV. Verschlusssachenauftrag nach § 99 Abs. 9 GWB

Die Nr. 4 verweist zunächst auf § 99 Abs. 9 GWB:

„Ein Verschlusssachenauftrag ist gem. § 99 Abs. 9 GWB ein Auftrag für Sicherheitszwecke,

  1. bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen (SÜG) verwendet werden oder
  2. der Verschlusssachen erfordert oder beinhaltet.“

Aus meiner Sicht ist „ein Auftrag für Sicherheitszwecke“ ein eigenständig zu prüfendes Tatbestandsmerkmal, welches im Gesetz nicht näher definiert ist. In der bereits zitierten Leitlinie der Kommission, die leider nur auf Englisch vorliegt, heißt es zu „Sicherheitszweck“:

„Security purpose: This requirement means that the equipment, works and services must be procured for a (military or non-military) security use. Unlike the definition of military equipment in Article 1 (6), the present definition does not require that equipment has been “specifically designed or adapted” for security purposes.”

1. Ein „Auftrag für Sicherheitszwecke“ meint danach, dass die Dienstleistung für einen „Sicherheitsnutzen“ (security use) beschafft werden muss. Nun können zwei Auffassungen vertreten werden:

a. Nach einer Auffassung muss die Dienstleistung als solche einen Sicherheitsnutzen haben. Danach hätten Reinigungsleistungen für sich gesehen keinen Sicherheitsnutzen, wohl aber Bewachungsleistungen (enge Auslegung).

b. Nach anderer Auffassung soll es genügen, wenn die Dienstleistung für einen Sicherheitsbereich beschafft wird. Danach würde die Beschaffung von Reinigungsleistungen für einen Sicherheitsbereich dem Tatbestandsmerkmal „Auftrag für Sicherheitszwecke“ unterfallen (weite Auslegung). In diesem Fall könnten auch Reinigungsleistungen ein „Auftrag für Sicherheitszwecke“ sein.

Bejaht man einen Auftrag „für Sicherheitszwecke“, dann muss allerdings weiterhin eine der zwei in § 99 Abs. 9 GWB genannten Alternativen einschlägig sein, um das Vorliegen eines Verschlusssachenauftrags nach § 99 Abs. 7 Nr. 4 GWB bejahen zu können. Alternative 1 erfordert, verkürzt gesagt, dass beim Auftrag Verschlusssachen nach § 4 SÜG verwendet werden und Alternative 2, dass der Auftrag Verschlusssachen erfordert oder beinhaltet. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass auch die geringe Sicherheitsstufe „VS-nur für den Dienstgebrauch“ unter § 4 SÜG fällt. Bedenkt man nun, dass der Behörde nach der Rechtsprechung bei der VS-Einstufung ein Beurteilungsspielraum zusteht, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.2005 – VII-Verg 101/04; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss v. 01.08.2012 – Verg. 105/11; VK Bund v. 14.07.2005 – VK 3-55/05), so besteht hier die Möglichkeit, den Auftrag dem Anwendungsbereich der VSVgV zu entziehen. Dies darf freilich nicht in missbräuchlicher Absicht erfolgen.

2. Der Wortlaut des § 99 Abs. 9 Nr. 2 Alt. 2 GWB „VS beinhaltet“ ist offen gefasst. An dieser Stelle kann man nun erneut zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten.

a. Bei „enger“ Auslegung liegt ein VS-Auftrag nur vor, wenn der Dienstleister der zu beschaffenden Leistung mit VS bestimmungsgemäß in Berührung kommt oder der Auftraggeber VS beistellen muss, damit der Auftragnehmer die Leistung erbringen kann.

b. Bei „weiter“ Auslegung liegt ein VS-Auftrag bereits vor, wenn der Dienstleister selbst mit VS zwar nicht bestimmungsgemäß in Berührung kommt, sich aber in dem Bereich, in welchem er eingesetzt wird, VS befinden und somit ein unbefugter Zugriff des Dienstleisters auf solche VS nicht ausgeschlossen werden kann. Für letzte Auffassung spricht Erwägungsgrund 11 der Richtlinie 2009/81/EG. Folgt man letzter Auffassung, käme es nicht darauf an, ob ein Reinigungsunternehmen selbst Dokumente nach § 4 SÜG zur Erfüllung des Auftrags kennen muss; es genügt, dass sich VS in dem zu reinigenden Gebäude befinden. Häufig wird es freilich auf die Frage nicht ankommen, da Reinigungsunternehmen selbst mit VS bestimmungsgemäß in Berührung kommen werden (z.B. Kenntnis von Lageplänen, die als VS eingestuft sind).

V. Gemischte Aufträge

Übrigens würde allein letzterer Umstand genügen, dass eine Reinigungsleistung nach der VSVgV zu vergeben ist, selbst wenn 90 % der Leistung keine VS beinhaltet. Dies folgt aus § 99 Abs. 13 GWB. Voraussetzung ist freilich, dass ein „einheitlicher Auftrag aus objektiven Gründen“ vorliegt. Einen ähnlichen Ansatz gibt es bei der Begründung einer Gesamtvergabe statt einer Losaufteilung. Insofern ist auch bei § 99 Abs. 13 GWB zu bedenken, dass der Auftraggeber die zu beschaffende Leistung bestimmt und diese Entscheidung der Vergabe vorgelagert ist.

DVNW_Mitglied

VI. Fazit

Nach aktueller Rechtslage ist es darstellbar, dass Reinigungsleistungen in den Anwendungsbereich der VSVgV fallen, wenn sich in dem zu reinigenden Gebäude Verschlusssachen befinden und der geschätzte Auftragswert 414.000 EUR nicht unterschreitet. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu liegt allerdings noch nicht vor.

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Eine Festlegung des Auftraggebers, fehlende Erklärungen oder Nachweise von vornherein nicht nachzufordern, ist unwirksam (VK Bund, Beschl. v. 05.03.2015 – VK 2-13/15)

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Liefer- & DienstleistungenRechtUNBEDINGT LESEN!

EntscheidungRäumt das Gesetz einem Auftraggeber ein Ermessen ein, ob er fehlende Erklärungen und Nachweise nachfordert, so muss er von diesem Ermessen in jedem Einzelfall Gebrauch machen. Der Auftraggeber darf sich aus dieser Prüfung nicht dadurch entlassen (oder „entlasten“), indem er in die Vergabeunterlagen hineinschreibt, dass er fehlende Erklärungen von vornherein nicht nachfordert und dass ein Fehlen zwingend zum Ausschluss des Angebots führt.

§ 16 Abs. 2 VOL/A; § 19 EG Abs. 1 VOL/A; § 19 Abs. 3 SektVO; § 22 Abs. 6 VSVgV

Sachverhalt

Der Auftraggeber schrieb Schulungsleistungen aus. In den Vergabeunterlagen bestimmte er Folgendes: „Eine Nachforderung fehlender Unterlagen und Nachweise im Sinne des § 16 Abs. 2 VOL/A erfolgt nicht.“ Ein Bieter vergaß in einer Tabelle den Maßnahmeort einzutragen, der Auftraggeber beabsichtigte ihn wegen dieser fehlenden Erklärung auszuschließen und argumentierte unter anderem, dass er eine Nachreichung fehlender Erklärungen von vornherein ausgeschlossen habe. Oder anders gewendet: Er dürfe nicht nachfordern, selbst wenn er wollte. Hiergegen wandte sich der Bieter.

Die Entscheidung

Die Vergabekammer gab dem Bieter im Ergebnis recht. Sie führte aus:

„Die Ag beruft sich in Bezug auf ihr Nachforderungsermessen auf die Festlegung bereits in der Bekanntmachung sowie in den Vergabeunterlagen, wonach sie eine Nachforderung ganz generell und vorab ausschließt. Ein solcher genereller Ausschluss bereits in den Vergabeunterlagen ist aber mit der Problematik behaftet, dass dann der Einzelfall mit seinen besonderen Umständen nicht berücksichtigt werden kann; dem konkreten Sachverhalt kann bei einer schematischen Handhabung im Sinne einer Vorabfestlegung nicht Rechnung getragen werden. Exakt um dem Einzelfall gerecht werden zu können, wird aber Ermessen eingeräumt. Eine pauschale Vorwegnahme des Ermessens zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar nicht absehbar ist, welche formellen Fehler sich möglicherweise ereignen werden, ist vor diesem Hintergrund unzulässig (vgl. zu diesen Gesichtspunkten OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. November 2012 – Verg 8/12, sowie Beschluss vom 7. August 2013 – Verg 15/13).“

Rechtliche Würdigung

Der Entscheidung ist beizupflichten.

Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es sich um eine B-Dienstleistung handelte und deshalb § 16 VOL/A und nicht § 19 EG VOL/A anzuwenden war. Da beide Vorschriften für den hier wesentlichen Gesichtspunkt  identisch sind, käme es aber auf die Unterscheidung im Ergebnis auch nicht an.

Der Auftraggeber schloss den Bieter nach § 16 Abs. 3 Buchst. a) VOL/A aus. Dieser lautet:

„Ausgeschlossen werden

a) Angebote, die nicht die geforderten oder nachgeforderten Erklärungen und Nachweise enthalten (…).“

Die Nachforderungsmöglichkeit ist in § 16 Abs. 2 Satz 1 VOL/A geregelt. Dort heißt es:

„Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, können bis zum Ablauf einer zu bestimmenden Nachfrist nachgefordert werden.“

Vorliegend hatte der Auftraggeber diese Nachforderungsmöglichkeit aber von vornherein ausgeschlossen. Er hatte sich damit selbst gebunden und glaubte sich in der Zwickmühle. Denn eine Nachforderung verstieße seiner Auffassung nach nun gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Vergabekammer hingegen erkannte richtiger Weise, dass es einem Auftraggeber gar nicht erlaubt ist, von vornherein festzulegen, dass eine Nachforderung nicht in Betracht kommt (so schon der Autor in Vergabeblog.de vom 03/02/2014, Nr. 18083).
Ich formuliere es hier einmal etwas drastischer als die Vergabekammer: Mit einem Nachforderungsausschluss würde sich die Exekutive über den Gesetzeswortlaut stellen. Sie würde Ermessen, das ihr nach dem Gesetz zusteht, überhaupt nicht ausüben. Zu einer solchen Einschränkung ist sie auch nicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VOL/A befugt, denn diese Regelung betrifft nur die Festlegung der Form der Angebote. Eine wie hier geschehene antizipierte Ermessensregelung stellt einen Ermessensnichtgebrauch dar und ist unzulässig. Hier kann im Einzelnen durchaus die lang geübte Rechtspraxis der Verwaltungsgerichte herangezogen werden. Die Vergabekammer zitiert auch einen Standardkommentar zum Verwaltungsrecht (Kopp/Ramsauer) und bekräftigt damit die verwaltungsrechtliche Betrachtung. Die Vergabekammer kam nun aber nicht zu dem Ergebnis, das ganze Verfahren zu wiederholen, sondern sie forderte den Auftraggeber auf, die Ermessensausübung nachzuholen. Daraus kann man lesen, dass die Einschränkung des Ermessens in den Vergabeunterlagen schlichtweg unanwendbar bleiben muss und damit unwirksam ist. Der Auftraggeber muss dann also Ermessen ausüben und seine eigene Regelung missachten (da sie unwirksam ist). Eine Selbstbindung erfolgt hier nicht, da es eine Ungleichbehandlung „im Unrecht“ grundsätzlich nicht gibt.

Es stellt sich dann noch die Frage, wie das Oberlandesgerichts Düsseldorf entscheiden würde. Einen Hinweis auf die Antwort findet sich in der (von der Vergabekammer auch zitierten Entscheidung) vom 07.08.2013 – Verg 15/13. Dort heißt es:

„Dem Sektorenauftraggeber kommt nach § 19 Abs. 3 SektVO ein Ermessen dahingehend zu, ob er Erklärungen und Nachweise, die auf seine Anforderung bis zum Ablauf der Frist für den Eingang der Angebote nicht von den Unternehmen vorgelegt wurden, bis zum Ablauf einer von ihm zu bestimmenden Nachfrist anfordert. Ob er sein Ermessen vorab in der Weise ausüben kann, dass er die Möglichkeit einer Nachforderung bereits in den Vergabeunterlagen ausschließt, erscheint zweifelhaft, da der Auftraggeber verpflichtet ist, das ihm rechtlich eingeräumte Ermessen in Kenntnis des vollständigen Sachverhalts und aller Umstände pflichtgemäß auszuüben auf der Grundlage der eingereichten Angebote (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 28.11.2012, VII-Verg 8/12; anders 1. VK Bund, Beschl. v. 08.07.2011, VK 1 – 75/11). Im Streitfall ist den Vergabeakten nicht zu entnehmen, ob und mit welchem Inhalt eine Ermessensausübung der Antragsgegnerin stattgefunden hat.“

Ich wage also folgende Vermutung: Das OLG würde (hoffentlich!) genauso entscheiden.

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Praxistipp

Der Praxistipp an die Auftraggeber lautet: In die Vergabeunterlagen darf keine Einschränkung des Nachforderungsermessens hineingeschrieben werden und das gilt (wegen der Wortlautidentität) für die VOL/A, SektVO und VSVgV gleichermaßen. Natürlich gilt dies auch für die VOB und VOF erst recht, da dort die Auftraggeber fehlende Erklärungen und Nachweise sogar nachfordern müssen. Aber Vorsicht: Bei diesem Thema darf nicht vergessen werden, dass die Rechtsprechung bestimmte Nachforderungsmöglichkeiten von vornherein versperrt, nämlich dann, wenn die Nachforderung zu einer Verbesserung des Angebots führt. Nur rein formelle Fehler dürfen geheilt werden.

Der Praxistipp an die Auftragnehmer lautet: Wenn Ihr wegen einer vergessenen Erklärung / Nachweises ausgeschlossen werdet, ohne dass man Euch die Möglichkeit zur Nachforderung eingeräumt hat: Wehret Euch. Allerdings könnte es dann sein, dass der Auftraggeber einfach nur eine Begründung nachliefert, weshalb er nicht nachgefordert hat. Dann stellt sich nur die Frage, ob diese Begründung ausreicht.

Noch ein Praxistipp an alle Anwender (und den Ersteller) der UfAB V, Vers. 2.0: Auf Seite 156 wird unter „Wichtiger Hinweis“ empfohlen, von der Nachforderungsmöglichkeit keinen Gebrauch zu machen und dies bereits in den Vergabeunterlagen verbindlich mitzuteilen. Diese Empfehlung ist überholt und ihr sollte bis zur Überarbeitung der UfAB keinesfalls gefolgt werden.

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Rechtliche Probleme bei der Beschaffung von Geoinformationen und Geoinformationssystemen

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ITKRecht

Die Anwendungsmöglichkeiten von Geoinformationen sind vielfältig, das Entwicklungspotential ist beachtlich, die Zukunftsaussichten sind rosig und die Bundesregierung ist begeistert (siehe etwa 3. Geo-Fortschrittsbericht der Bundesregierung).

Eine staatliche Stelle, die Geoinformationen, Geodienste oder entsprechende Systeme beschaffen möchte oder muss, steht allerdings einer Vielzahl an rechtlichen Regelungen gegenüber. Dies erschwert den Beschaffungsprozess. Ein maßgeblicher Grund hierfür ist, dass das Geoinformationswesen eine Querschnittsmaterie ist, die in viele rechtliche Bereiche hineinwirkt, z.B. in das Datenschutzrecht, Urheberrecht, Baurecht, Umweltrecht und schließlich auch in das Vergaberecht. Dieser Beitrag soll einen Überblick über einige bei Beschaffungen zu beachtende Gesichtspunkte geben. Dabei können die zahlreichen Problemfelder aus Platzgründen nur angerissen werden.

Begrifflichkeiten

Zunächst seien einige Begrifflichkeiten zu klären. Ein Blick in das Gesetz verrät uns, dass Geodaten „alle Daten mit direktem oder indirektem Bezug zu einem bestimmten Standort oder geografischen Gebiet sind“, so § 3 Abs. 1 GeoZG (entspricht der Definition in Artikel 3 Nr. 2 der „INSPIRE“-Richtlinie 2007/2/EG).
Bereits hier wird das weite Begriffsverständnis des europäischen und nationalen Gesetzgebers deutlich. In der Praxis werden häufig Umweltdaten, geographische Daten, Straßendaten, Verkehrsdaten, Wirtschaftsdaten, Tourismusdaten, Breitbanddaten, Energiedaten, etc. beschafft. Bei all diesen Fällen handelt es sich in der Regel um Geodaten. Geodatendienste sind dagegen „vernetzbare Anwendungen, welche Geodaten und Metadaten in strukturierter Form zugänglich machen […]“. § 3 Abs. 3 GeoZG enthält dann noch weitere Eingrenzungen. Beschaffungsgegenstand ist häufig auch ein Geoinformationssystem (GIS).
Dieser viel verwendete Begriff ist jedoch im Gesetz nicht definiert. Nach der deutschsprachigen Wikipedia handelt es sich dabei um „Informationssysteme zur Erfassung, Bearbeitung, Organisation, Analyse und Präsentation räumlicher Daten. Der Begriff ist weit zu verstehen und umfasst z.B. die benötigte Hardware, Software, Daten und Anwendungen“.

Rechtsrahmen

Es gibt zahlreiche Regelungen auf europäischer Ebene, die im Hinblick auf das Geoinformationswesen relevant sind, z.B. Re-Use of Public Sector Information (Directive 2003/98, geändert durch Directive 2013/37) Environmental Information Directive (Directive 2003/4), INSPIRE Directive (Directive 2007/2), Data Protection Directive (Directive 95/46).

Auf deutscher Ebene sind beispielsweise zu nennen: Geodatenzugangsgesetz Bund (GeoZG) und Gesetze der Länder, Vermessungs- und Geoinformationsgesetze der Länder, Informationsfreiheitsgesetz (IFG), Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) und Umweltinformationsgesetz Bund (UIG) und Gesetze der Länder.

Lizenzmodelle und Open Source

Bei der Beschaffung von Geodaten gibt es zwei Beschaffungswege. Der eine besteht darin, bereits vorhandene Geodaten zu kaufen oder zu mieten. Der andere, selbst Geodaten zu erheben oder erheben zu lassen. Oft findet auch eine Kombination aus beidem statt. Bei der Beschaffung bereits vorhandener Geodaten greift der Auftraggeber auf eine oder mehrere Datenbanken zurück. Jede dieser Datenbanken ist in aller Regel an ein Lizenzmodell geknüpft. So existiert etwa die „Geolizenz“ in insgesamt 9 Varianten [www.geolizenz.org]  die Open-Data-Commons-Lizenzen der Open Knowledge Foundation, z.B. „Open Data Commons Open Database License (ODbL)” oder “Database Contents License (DbCL)”, die Creative-Commons-Lizenz-System, z.B. „Attribution-ShareAlike 2.0 Generic (CC BY-SA 2.0)“ oder „Attribution-ShareAlike 4.0 International“ (CC BY-SA 4.0). Hinzu kommen zahlreiche Open Government Lizenzsysteme einzelner Staaten.

Der Grundsatz von Open Source ist, dass die betroffenen Werke frei verfügbar gemacht werden. Im Einzelnen können die Lizenzbedingungen divergieren. So kann sich die freie Verfügbarkeit auf die rein private Verwendung beschränken. Denkbar ist auch, dass die freie Verwendung von Rohdaten daran geknüpft wird, dass auch bei einer Aufbereitung die Quelle zu nennen ist oder dass sogar die aufbereiteten Daten zur freien Verwendung zu geben sind. Ein Verstoß des Auftraggebers gegen Lizenzrechte kann erhebliche Nachteile für ihn haben, auch erst Jahre nach Vergabe. Stets hat der Auftraggeber daher auf sog. Copy-Left-Klauseln zu achten, zumal die EVB-IT dieses Problem nicht ausreichend adressieren.

Die Beschaffungssituation

In einer Beschaffungssituation können sich mannigfaltige Fragen stellen. Die nachstehende Fragenliste soll dies verdeutlichen:

  • Welche besonderen Anforderungen sind an die Leistung zu stellen?
  • Sind gesetzliche Schranken vorhanden, die bei der Durchführung der Leistung zu beachten sind? Z.B. Datenschutzrecht, Flugsicherheitsrecht
  • Daran anknüpfend: Sind behördliche Genehmigungen (z.B. Aufstiegsgenehmigungen bei unbemannten Fluggeräten, UAS bzw. UAV, oder auch einfach „Drohnen“ genannt) erforderlich und wie sie ihre Voraussetzungen bei konkret vorgegebenen Erhebungsweisen?
  • Sind urheberrechtliche Gesichtspunkte zu beachten und welche Nutzungsrechtsvereinbarung folgt daraus?
  • Welcher Vertragstyp kommt in Betracht? Z.B. EVB-IT-Vertrag
  • Welche Vergabeart ist sinnvoll und rechtlich zulässig?
  • Welche speziellen Anforderungen sind an die Eignung des Dienstleisters zu stellen?
  • Auf welche qualitativen Kriterien kommt es für die Angebotswertung besonders an?

Zuordnung von Geodaten und Geoinformationssystemen unter EVB-IT

Die Zuordnung von Beschaffungen unter die EVB-IT Vertragstypen kann im Einzelfall schwierig sein. Für die Beschaffung einer Software zur Erfassung und Verwaltung von Geodaten kann sowohl ein EVB-IT Überlassung Typ A (dauerhafte Überlassung von Standardsoftware) als auch ein EVB-IT Überlassung Typ B (zeitweise Überlassung von Standardsoftware) – in der Regel – mit einem EVB-IT Pflege S (Pflege von Standardsoftware), aber auch ein EVB-IT Erstellung (auf Softwareleistungen reduzierter EVB-IT Systemvertrag) in Betracht kommen.

Für ein Geoinformationssystem wird in der Regel ein EVB-IT System (Erstellung von IT-Systemen – Schwerpunkt auf Herstellung der Betriebsbereitschaft) oder ein EVB-IT Systemlieferung (Lieferung von IT-Systemen aus einer oder mehreren Systemkomponenten) die richtige Wahl sein.
Schwierig wird die Zuordnung insbesondere dort, wo Geodaten zu erheben oder zu bearbeiten sind. Ein EVB-IT Dienstleistung (IT-Dienstleistungen in Form eines Dienstvertrags) wird in der Regel nicht in Betracht kommen, da die Beschaffung regelmäßig eine Werkleistung darstellen sollte.
Ein EVB-IT Erstellung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da keine Software erstellt oder angepasst wird, Datenbankwerke sind nicht Gegenstand. Ist die Beschaffung von Geodaten nicht mit der Erstellung einer Software verknüpft (dann ggf. wiederum ein EVB-IT Erstellung), ist ein Individualvertrag oder ein stark modifizierter EVB-IT Dienstleistung (wird nicht empfohlen, da AGB nicht passen) zu wählen.

Nutzungs- und Lizenzbedingungen

Sämtliche Vertragsmuster aus der „klassischen“ IT-Beschaffung wie auch die EVB-IT gehen regelmäßig davon aus, dass im Rahmen der Beschaffung ein urheberrechtlich geschütztes Werk hergestellt wird und haben dabei Computerprogramme, Anleitungen und Schulungsunterlagen vor Augen. „Geodatendienste“, „Geoportale“ und/oder GIS sind in Bezug auf die darin enthaltene Software als „Computerprogramme“ im Sinne von § 69a UrhG urheberrechtlich geschützt, hier gelten die allgemeinen Grundsätze, wie sie auch in den EVB-IT enthalten sind. Nutzungsrechte sind (ausdrücklich) einzuräumen. Geodaten an sich sind urheberrechtlich jedoch nicht geschützt, da sie in der Regel keine „persönliche geistige Schöpfungen“ im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Wenn die Nutzung von Geodaten eingeschränkt werden soll, bedarf es in der Regel einer vertraglichen Nutzungsbeschränkung. Werden Geodaten beschafft, kann die Gesamtheit der Geodaten jedoch eine Datenbank im Sinne von § 87a Abs. 1 UrhG darstellen. Danach ist eine Datenbank „eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert.“

Datenbankhersteller ist nach § 87a Abs. 2 UrhG derjenige, der die Investition nach § 87a Abs. 1 UrhG getätigt hat. In diesem Fall hat der Datenbankhersteller gemäß § 87b Abs. 1 S. 1 UrhG „das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art oder Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben“. § 11 Abs. 2 S. 1 GeoZG sieht ausdrücklich vor, dass „Geodaten und Metadaten […] über Geodatendienste für die kommerzielle und nicht kommerzielle Nutzung geldleistungsfrei zur Verfügung zu stellen [sind], soweit durch besondere Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist oder vertragliche oder gesetzliche Rechte Dritter dem nicht entgegenstehen“. Aufgrund der Einschränkung in Bezug auf Rechte Dritter sehen sämtliche Landesgesetze eine praktisch gleichlautende Regelung vor (wobei zu beachten ist, dass die Kostenfreiheit in den wenigstens Landesgesetzen vorgegeben ist).

Praxishinweis
Sofern der öffentliche Auftraggeber für die Zugänglichmachung und ggf. Veröffentlichung der beschafften Geodaten rechtlich nicht beschränkt sein möchte, sollte vertraglich festgelegt werden, dass er aufgrund seiner Investition Datenbankhersteller ist (in der Regel ist dies allerdings nur klarstellender Natur). Sollte der Dienstleister eine bereits bestehende Datenbank liefern, sollten entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt und eine Freistellungsklausel zu Gunsten des Auftraggebers im Fall der Inanspruchnahme durch Dritte formuliert werden. Ebenfalls zu beachten ist aber auch, dass die Beschaffung von bestehenden und nur „unwesentlich“ angereicherten Datenbanken bei vollständiger Rechteeinräumung ein erheblich preistreibender Faktor sein kann und damit die Beschaffung an sich unwirtschaftlich werden kann.

Geodatenbeschaffung durch UAS

Der Auftragsgegenstand kann auch darin bestehen, dass der Dienstleister mit Hilfe eines unbemannten Fluggeräts Geodaten erhebt. Der Auftraggeber muss sich im Rahmen der Vorbereitung der Leistung die Frage stellen, ob und inwieweit die geplante Erhebung durch Drohnen zulässig ist. Denn (rechtlich) unmögliche und unzumutbare Leistungen darf er nicht ausschreiben.
Der Betrieb von UAS ist nach § 15a LuftVO grundsätzlich verboten außerhalb der Sichtweite des Steuerers (keine eindeutige Erkennbarkeit ohne besondere optische Hilfsmittel möglich) oder bei MTOM von mehr als 25 Kilogramm, wobei Ausnahmen möglich sind. Solche werden von den Luftfahrtbehörden des Landes (örtliches Einsatzgebiet) erteilt. Nach § 16 Abs. 1 Ziff. 7 LuftVO gilt für alle UAS in Deutschland das Erfordernis einer Aufstiegserlaubnis. Die Aufstiegserlaubnis erteilt wiederum die örtlich zuständige Behörde des Landes (Einsatzbereich entscheidend), also z.B. die Bezirksregierung.

Die Erlaubniserteilung erfolgt nach gebundenem Ermessen, wenn die beabsichtigte Nutzung
(1) nicht zu einer Gefahr für die Sicherheit des Luftverkehrs oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung führt,
(2) Vorschriften über den Datenschutz nicht verletzt, ggf. die Zustimmung des betroffenen Grundstückseigentümers vorliegt. Nebenbestimmungen sind zulässig (z.B. Sachverständigengutachten über Eignung des Geländes und des Luftraums).

Bei der Beobachtung des nicht-öffentlichen Raums (z.B. umzäuntes Privatgelände, Werksgelände) finden die allgemeinen Regelungen Anwendung, wenn die von dem UAS gewonnenen Daten „personenbezogen“ bzw. „personenbeziehbar“ sind; dann erfolgt eine Interessenabwägung (bei nicht-öffentlichen Stellen) bzw. der Erforderlichkeitsgrundsatz kommt zum Tragen (bei öffentlichen Stellen). Im Rahmen der Interessenabwägung kommt es neben dem Detailgrad (kann man nur Flächen erkennen, oder einzelne Personen identifizieren?) maßgeblich auf den Nutzungszweck an. Auch ein Prozess zur Anonymisierung von Aufnahmen fließt in eine solche Interessenabwägung ein.

DVNW_Mitglied

Fazit

Mein Fazit fällt ernüchternd aus: Geodaten, Geodiensten, GIS u.ä. sind zweifellos wichtige Bestandteile der Industrie 4.0 und haben ein enormes wirtschaftliches Potential. Gleichwohl hinkt die rechtliche Aufbereitung, wie so oft, hinterher.

Der Beschaffungsprozess wird mangels klarer Regeln und Leitfäden kompliziert und damit anfällig für Fehler. Doch gerade vertragliche Fehler bergen Risiken, die sich später bitter für den Beschaffer rächen können.

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